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Einzelkampf mit Kaffee und Bananen

■ IS — Ein gestisches Theaterprojekt der Gruppe Thea-Tüt im Kulturhaus Treptow

Wie die aufgescheuchten Hühner fliehen sie vor dem vermeintlichen Verfolger, die Gesichter voller Angst, während vom Band pompöse Klassik dröhnt. Fünf verschreckte Gestalten, die nicht wissen wohin mit sich. Dann urplötzlich Stillstand, Schock, Zusammenbruch — die Figuren gefrieren, jede in einer anderen Ecke. Wie ein nasser Sack klebt Irina Kowallik mit leblos abgeklappten Gliedern vor der Heizkörperverkleidung, Annett Winkler liegt, ganz die Diva, mit aufgestütztem Kopf auf dem Boden und fixiert Imaginäres im Publikum, und Sten Mitteis hält seinen schwarzen Besen wie einen Rettungsanker und stiert mit hohlen Augen ins Nichts. Dumpf, bequem und überdrüssig verharren sie in ihren authistischen Posen, die Bürde ihrer Einsamkeit ertragen sie in absoluter Passivität. Versucht doch mal einer die Kontaktaufnahme, scheitert das an der Ignoranz des Gegenübers. Bis schließlich einer aufsteht und die Sache in die Hand nimmt. Roger Jahnke, durch eine Körperinstallation mit Stuhl als Künstler in der Crew erkenntlich, macht sich die Schar der ziellos Dahinvegetierenden gefügig.

Daß die Wohlstandsgesellschaft mitsamt ihren technischen Errungenschaften der Isolation und Orientierungslosigkeit ihrer Mitglieder Vorschub leistet, ist nicht gerade eine neue Erkenntnis. Einsam erstickt man zwischen vollgestopften Plastiktüten von Bolle und Karstadt, der von der Krankenkasse bezahlte Therapeut ersetzt den guten Freund, und an der Frage »Was mache ich, wenn ich mal groß bin?« zerbricht noch so mancher Dreißigjährige. Isolation im wirtschaftlichen Überfluß als Thema für ein Theaterstück klingt erst mal ein bißchen nach kaltem Kaffee. Im frischvereinten Osten Deutschlands aber liegt die Marktwirtschaft noch in den Windeln, und ebenda ist die Heimat der Truppe.

Die schöne neue kapitalistische Welt füllt nicht nur die Regale mit Kaffee und Bananen, sondern konfrontiert ihre Kinder auch mit einer knallharten Einzelkämpferrealität. Die Menschen auf der Bühne im Kulturhaus Treptow macht ihre Unselbständigkeit zu Opfern von Manipulation. Sie gehorchen den Befehlen desjenigen, der sich aus der Masse abhebt und empfinden dabei ein illusionäres Zusammengehörigkeitsgefühl. Kaum entzieht der Führer seine starke Hand, ist alles beim alten.

Die Gruppe mit dem nicht so ganz originellen Namen Thea-Tüt, eine Neugründung aus der Nachwendezeit, kommt ganz ohne Worte aus. Gestisches Theater nennt sich diese Form der Darstellung, die weder Tanz noch Pantomime ist, aber mit Bewegung, Körperstellungen und Mimik einen Handlungsablauf szenisch bearbeitet. Zwei der Mitspieler stammen vom Modetheater Telas, das seinerzeit durch die sozialistischen Lande tourte, die übrigen Mitspieler haben Pantomime- oder Tanzausbildung hinter sich. Mit bescheidenen Mitteln vom Kulturamt Treptow machte sich Regisseur Udo Klennert an die Produktion. In ausführlicher Improvisationsarbeit, wobei jeder letztendlich sich selbst darstellte, wuchsen die Szenen langsam zu einem Stück.

Nicht durch mühsames Interpretieren hinter der gekrausten Denkerstirn, sondern vom Gefühl her soll der Zuschauer das Stück erfassen. Die Schauspieler geben ihm mit ihrer nonverbalen Inszenierung die beste Voraussetzung dazu. »Da kann sich jeder drin entdecken«, sagt Klennert, denn die fünf Spieler verstehen das Schielen nach dem starken Mann letztendlich als das Problem von uns allen. Jantje Hannover

23. bis 26.4. und 30.4. bis 3.5. um 20.30 Uhr im Parkhaus Kulturhaus Treptow.

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