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19 bitte! 19 bitte 36!

■ Laßt diesen Elch an uns vorübergehn! Ein köstlicher Hape Kerkeling im Astoria

„Das gaanze Leben ist ein Quiz...“ Da steht ein kleiner, etwas dicklicher Mann in Blümchenhemd und rotem Jackett auf der Bühne oder mitten im Publikum und hat nichts anderes zu tun, als sich lang und breit von Elfjährigen erzählen zu lassen, welches Buch sie gerade lesen und welche Musik sie hören. Oder er steht da und furzt die verehrte Zuhörerschaft an: „Ruhe! Jetzt hörnse aber mal auf mit dem blöden Gekicher da!!!“ Und gut 1.800 ZuschauerInnen sitzen da und kreischen vor Vergnügen.

Hape Kerkeling, zur Zeit Deutschlands Fernsehstar Nummer Eins, am Samstag abend im Astoria: ein ausverkauftes Haus, und alle waren gekommen, um diese wildgewordene Dampfwalze der Idiotie endlich mal live über sich ergehen zu lassen. Ja, doch, wie im Fernsehen isser, ehrlich, und glänzt mit seinen Paradenummern wie der Parodie auf Marcel Reich-Ranicki im Gespräch mit dem schwäbischen Erstlingsautor Siegfried Schwäbli über sein Buch zum Thema Die Hornbrille - wie putzt man sie, wie trägt man sie, und warum sieht man trotzdem nichts. Mit Sonnenbrille hampelt er wie ein italienischer Schnulzensänger über die Bühne und singt im Duett mit seinem Pianisten Achim Hagemann das Lied aus dem Land, „wo die Männer noch Männer und die Frauen noch Frauen sind: Wer hat hier Pizza Margherita bestellt...“ Ob als Ein-Mann-Oper oder als norwegischer Reiseberichterstatter („Auf jeden Norweger kommen 75 Elche, 19 Murmeltiere und 100 Blockhäuser“), Hape Kerkeling glänzt als Imitator des ganz normalen Wahnsinns. In die Pause entläßt er die Leute zum Beispiel mit einer Ansage vom Band: „Heute im Angebot das Kilo Cervelatwurst für 5,95 DM. Der kleine Dennis hat seine Mami verloren, bitte den kleinen Dennis an der Kasse abholen. 19 bitte, 19 bitte 36.“ Zum Schreien komisch.

Hätte man das alles nicht auch im Fernsehen haben können? So manche ZuschauerInnen haben sich, bestürmt von der permanenten schreienden Präsenz Kerkelings, wohl ihre Fernbedienung herbeigewünscht. Aber am schönsten wirkt er mit den Ideen, die er hat, wenn er dem Publikum hautnah auf die Pelle rückt. Wenn er in den Saal stürmt und die komplette erste Reihe das Stoßgebet Laß diesen Elch an mir vorübergehen zum Himmel schickt. Und wir alle uns darüber freuen, wenn es Frau Wesseling aus der dritten Reihe erwischt, und wir erfahren, daß Frau Wesseling nichts liest. Gar nichts. „Aha.“ Gelächter. „Ja, Frau Wesseling liest kon-se- quent nicht. Gott, ja. Ist auch 'ne Einstellung.“ Und wen Hape einmal am Schlafittchen hat, den läßt er so schnell nicht wieder los.

„Ja , Mona sitzt da und ißt Puffreis...“ — Mona verschluckt sich an ihrem Puffreis — „... und denkt sich, irgendwann wird die alte Hackfresse doch mal weitermachen.“ Sie wird: heute abend zum letzten mal im Astoria — wer noch Karten ergattert hat, kann sich freuen. Susanne Kaiser

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