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Anti-AKW-Kalender vor Gericht

■ AKW-Gegner des BBA gegen ihren alternativen Drucker Wolfgang Schiesches

Im Herbst 1991 wartete die Szene vergeblich auf den neuen „Anti- AKW-Kalender“; warum, das sollte gestern die Bremer Amtsrichterin Bruse aufklären.

Die Bremer BBA („Bürgerinitativen gegen Atomanlagen“), die in früheren Jahren die erfolgreiche Göttinger Kalender-Produktion (Auflage: über 50.000) als Geschäftemacherei angeprangert hatten, hatten diesmal die Produktion des Kalenders '92 übernommen - aber nur 450 Exemplare kamen zur Auslieferung. Die Bremer mußten sich im „Atomexpress“ entschuldigen: „Viele von Euch werden sich jetzt wundern, es gibt kaum einen Buchladen, in dem er ausliegt... Wir behaupten dennoch kühn, daß dieser Mißstand außerhalb unseres Einflußgebietes liegt.“

Offenbar endet das „Einflußgebiet“ der Bremer BBA ca. 200 Meter neben ihrem Büro in der St.Pauli-Straße: dort - in der Mozartstraße - residiert nämlich der Drucker Wolfgang Schiesches. Der frühere Pastor, 68'er Aktivist, AKW-Gegner der ersten Stunde und Klartext-Verleger, hatte den Auftrag für Druck und Binden von 2.000 Exemplaren erhalten, alternativ und bescheiden wollte dafür 4.500 Mark haben.

Als die BBA-Kalenderproduzenten im August 1991 aus dem Urlaub kamen, wurden sie keineswegs „mit dem fertigen Produkt belohnt“: Schiesches war in Verzug, lieferte schließlich 450 Kalender gegen 2.000 Mark Vorkasse. Die alternative BBA versuchte, per „einstweiliger Verfügung“, an ihre Kalender zu kommen. Das gibt das bürgerliche Recht aber nicht her. Der Streit eskalierte, schließlich wollte Schiesches die gedruckten, aber noch nicht gebundenen Kalender nur gegen Barzahlung herausgeben. 1991 und die Kalendersaison verstrichen, der Anti-AKW-Kalender wurde Altpapier.

Um nun wenigstens die fehlenden 2.500 Mark zu bekommen, ging Schiesches vor Gericht. Nach 15 Minuten verlor die Amtsrichterin Bruse gestern aber das Interesse an der Klärung der Frage, warum der Anti-AKW- Kalender nicht erschienen ist, und schlug einen „Vergleich“ vor. Inhalt: Die beiden streitenden Parteien sollten's einfach vergessen. Die BBA hat für 450 Kalender 2.000 Mark bezahlt, was sehr viel ist, und Schiesches behält sein Altpapier. Die ernste Miene der Richterin, die andeutete, die Gerichtskosten könnten den umstrittenen Wert bei weitem übersteigen, machte vollen Eindruck — Schiesches zog zurück. K.W.

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