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»My Story is Mystery«

■ Fünf Frauen experimentieren mit Gong, Geige Trommeln und Alphorn - frei nach John Cage

Schon der Arbeitstitel der Produktion bringt die Zeitungs- Layouter an die Grenze ihrer Möglichkeiten. »Sechs plus minus eins ist gleich Wurzel aus« steht mathematisch korrekt in Zahlen und Zeichen geschrieben auf dem Handzettel. Unter dem langen Balken der Wurzel quetschen sich die Eigennamen der fünf Akteurinnen. Die Überschreitung von Grenzen ist eine der leichtesten Übungen, die die fünf mit ihrer Show über »Erotisches und Triviales« zum Start in den Mai zum besten geben. Doch obwohl sie sich den Ausspruch eines gewissen Sun Ra: »His story is history, my story is mystery«, auf die Fahnen geschrieben haben, bedienen sie sich in ihrem Stück auch bewährter Stilmittel.

Irgendwo zwischen Dadaismus und Expressionismus siedelt die Konzeption der unkonventionellen Show; Gong, Geige, Trommeln und ein Alphorn kommen zum virtuosen Einsatz, und mit Gesang und gesprochenem Wort tastet man sich durch Schlager und Trivialliteratur auf die verschlungenen Pfade der Chaosforschung. In drei Blöcken üben sie sich an einem Strukturprinzip von John Cage: durch Würfeln oder Kartenziehen werden feste Bewegungsabläufe nach einem Zeitschema aneinandergekoppelt. Die Personen agieren voneinander unabhängig, eine für den Zuschauer unsichtbare Uhr am Bühnenrand dirigiert das Geschehen. So entsteht eine skurrile, unvorhergesehene Geschichte. Zufallsprinzip nennt sich so was, dabei weiß doch jeder, daß es das nicht gibt.

Wenn Mo Dittmann alias Momento von dem Stück als einer »Produktion im freien Fall« spricht, sind damit keine Trapezübungen gemeint, sondern die vergeblich beantragten Gelder beim Kultursenator. Kaum zu glauben, die engagierte Frau mit der angepunkten Haarpracht ist Leiterin der Musikschule Tempelhof. Den Bewohnern dieses Bezirks möchte sie mit der Show auf dem UFA-Gelände eine Kurz zum Wachrütteln verordnen.

Auch ihre Mitstreiterinnen sind gestandene Frauen aus dem Showgeschäft: die Musikerin Ma-Lou Bangerter weiß nicht nur mit ihrem Alphorn die Bühne zu füllen, die Klangperformerin Grace Yoon aus Korea zaubert einen Hauch Asien ins Programm, während die Percussionistin Krista Zeißig-Tucci da Silva für die afrobrasilianische Untermalung sorgt. Jantje Hannover

Bis 3.5., 21.00 Uhr UFA-Fabrik, Viktoriastr. 10-18, Tempelhof

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