: ANC nimmt Abschied von alten Dogmen
Verstaatlichung soll nicht länger das Wirtschaftskonzept des afrikanischen Nationalkongresses dominieren ■ Aus Johannesburg Hans Brandt
Deutsche Konzerne in Südafrika haben von einer zukünftigen ANC- Regierung keine Enteignung mehr zu befürchten. Das geht aus einem diese Woche in Johannesburg veröffentlichten Dokument des Afrikanischen Nationalkongresses hervor. Zwar hält das Diskussionspapier für eine ANC-Konferenz am 28. Mai an der Möglichkeit der Verstaatlichung von Konzernen fest. Aber Verstaatlichung wird nicht, wie in der Vergangenheit, zum Grundsatz der ANC- Wirtschaftspolitik gemacht.
Statt dessen wird betont, daß Wirtschaftspolitik von der „Abwägung der Tatsachen“, nicht von einem vorgegebenen ideologischen Rahmen, bestimmt werden soll. Auch die Entschlossenheit, südafrikanische Riesenkonzerne zu verstaatlichen oder aufzubrechen, ist in dem Dokument nicht mehr zu finden. Privatisierung staatlicher Betriebe wird sogar als eine mögliche Alternative ausdrücklich erwähnt. Der ANC habe nichts gegen große Konzerne „als solche“, heißt es. Aber die Organisation betont, daß sie starke Gesetze zur Verhinderung von Monopolen verabschieden wird.
Die Vorschläge machen deutlich, daß der ANC eine verstärkte Regierungsrolle in der Volkswirtschaft plant. Das gilt vor allem in Bereichen wie Bildung, Gesundheit und Infrastruktur, in denen die jetzige Minderheitsregierung schon seit einiger Zeit eine Privatisierung anstrebt. Die Entwicklung einer „nationalen Wirtschaft und staatlichen Infrastruktur, die die Lebensqualität von allen anhaltend und eingreifend verbessert“, ist für den ANC von entscheidender Bedeutung. Dabei ist eine Umverteilung der staatlichen Ausgaben, um die ärmsten Teile der Bevölkerung zu bevorzugen, vorgesehen. Das soll durch eine neue Steuerstruktur finanziert werden. Andererseits warnt das Dokument auch: „Es gibt keine schnellen, einfachen Lösungen. Die Probleme sitzen tief und die Ressourcen sind begrenzt.“
Reiche Weiße verspricht das Dokument ein „gerechtes und sicheres Systems des Grundeigentums“. „Alle sollen geschützt werden vor der willkürlichen und ungesetzlichen Einmischung in ihre Eigentumsrechte“, heißt es weiter.
Die neue Wirtschaftspolitik des ANC ist ein deutlicher Versuch, die Angst der Privatwirtschaft und der Weißen vor einer ANC-Regierung zu reduzieren. In der Mitte der fünfziger Jahre verabschiedeten „Freiheits-Charta“, dem lange Zeit tonangebenden Dokument der ANC-Politik, war die Verstaatlichung der Bergwerke und Banken zentrales Ziel der Wirtschaftspolitik. Diese Absicht ist inzwischen vollkommen verschwunden. Aber der ANC hält an einer Politik fest, die sich an den Interessen der schwarzen, armen Mehrheit der Bevölkerung orientiert.
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