PRESS-SCHLAG: Zoff im Teufels-Ensemble
■ Multi-Kulti-Team contra pfälzische Identität/ Der amtierende Meister 1.FC Kaiserslautern und die Krise
Die 15jährige Tochter meiner Schwägerin aus dem saarländischen Homburg weiß genau, wie sie meinen Vater aus dem pfälzischen Zweibrücken auf 180 bringen kann. „Ei du“, setzt sie dann an, „kennscht du schunn de neueschte Pälzerwitz?“ Die unterschwellige Antipathie rührt aus den Tagen zwischen Kriegsende und der Eingliederung des Saarlandes in die BRD, einer Zeit, in der sie diesseits der Grenze glaubten, denen über dem Zaun ginge es besser als einem selbst. Saarländer behaupten von Pfälzern, sie seien Hinterwäldler ohne jede Kultur, umgekehrt halten Pfälzer „die aus dem Saargebiet für die schlechtesten Autofahrer überhaupt“. Dabei gibt es seit jeher mehr Gemeinsamkeiten und Verbindendes, als so mancher vorurteilstragende Holzkopf glaubt: Beiden wird nämlich nachgesagt, sie seien stur, halsstarrig, von vorgestern und ließen, hätten sie sich etwas vorgenommen, nicht eher davon ab, bis daß es erreicht sei.
Der SV Werder Bremen hat mit dieser palatinen Weltanschauung schon schmerzliche Erfahrung machen müssen, verloren die Grün- Weißen doch das Pokalfinale vor zwei Jahren mit 2:3 gegen 13 Lauterer, darunter sechs Pfälzer, zwei (Rhein-)Hessen und ein Saarländer. Die Männer aus dem reich bewaldeten Landstrich links des Rheins steigerten sich fortan sogar bis zum Gewinn der Deutschen Meisterschaft, nervenstark — sonst nicht unbedingt eine herausragende Eigenschaft des Pfälzers.
Wer in diesen Tagen von der Lauterer Krise spricht und all die Querelen zwischen Spielern und Spielern, Spielern und Funktionären und Spielern und dem Trainer zur Begründung anführt, vergißt, daß der 1.FCK seine besten Zeiten immer dann erlebte, wenn die Mehrzahl seiner Spieler aus der näheren Umgebung stammte. Ein Blick auf den FCK 92 zeigt: Nur noch vier (!) aus der Region mischen regelmäßig mit, und von denen werden wieder zwei den Verein verlassen. Nicht, daß die 38.500 auf dem „Betze“ was gegen Zugereiste hätten, nein, aber die Pfälzer im roten Dress tragen mit ihm die Seele des Pfälzer Fußballs spazieren. Doch — vorbei bald die Tage, da die Kollegen von der Ortspresse ihre Interviews in Mundart führen konnten.
Der FCK trug von Beginn der nachmeisterlichen Runde an so schwer, daß sogar dem unverwüstlichen „Retter und Weisen vom Nil“ die Last zu viel wurde und sein Rücken schmerzte. Flugs zog er sich in sein südspanisches Haus zurück und sinnierte über ganzjährigen Sonnenschein und wie bequemer es doch sei, etwa den FC Malaga zu trainieren. Doch Feldkamp floh die Idylle und kam zurück, um sich masochistisch weiter zu quälen mit einer Mannschaft, die keine mehr ist.
Ausgangs- und Höhepunkt des Gruppen-Zoffs: das Ausscheiden im Europapokal gegen den FC Barcelona in letzter Sekunde. Anders als früher gab es wüste Schuldzuweisungen, das Kabinen-Donnerwettter von Spieler zu Spieler war trotz geschlossener Türen deutlich hörbar. Und das Trauma Barca lebt: Nicht wenige zwischen Hunsrück und Schwarzwald fahren am 20.Mai in Gedanken nach Wembley zum verpaßten Finale gegen Sampdoria Genua.
Statt dessen bangt die halbe Pfalz in diesen Tagen um einen UEFA-Cup-Platz und sieht überdies Gefahr für den „Betze“ in Gestalt der herannahenden Saarbrücker und Waldhöfer. „Krise beim FCK? Darüber kannst du Bände füllen“, bemerkte dieser Tage ein Bekannter mit Insiderkontakten und schaute leicht säuerlich.
Doch immerhin, der große, mancherorts schadenfroh prophezeite Sturz des FCK fand nicht statt. Sind ja auch noch Pfälzer in der Mannschaft, und erst, wenn der letzte von ihnen in der Teambesprechung einen Dolmetscher braucht, wird es ernst auf dem höchsten Berg der Pfalz. Günter Rohrbacher-List
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