: Mieten hochtreiben und Angststimmen sammeln
Der Chef der rechtsextremen Deutschen Volksunion, Gerhard Frey, besitzt in Berlin mehr als 20 Häuser/ Die Bewohner klagen über explodierende Mieten/ Vor allem kleine Gewerbetreibende leiden unter der Profitgier des Multimillionärs/ Er selbst lebt in einer gepanzerten Villa in München ■ Aus Berlin CC Malzahn
Er verkauft rechtsextreme Literatur, vertreibt nationalsozialistisch angehauchte Schallplatten und Videos, bietet deutschtümelnde Fahnen, Anstecknadeln und Medaillen feil. Gerhard Frey, Vorsitzender der vom Verfassungsschutz observierten „Deutschen Volkunion“, kontrolliert zudem auflagenstarke rechtsextreme Zeitungen. Seine braunen Gazetten — die 'Deutsche National- Zeitung‘ und die 'Deutsche Wochenzeitung‘ — erscheinen hierzulande in einer Gesamtauflage von 150.000 Exemplaren. Doch der 59jährige Multimillionär handelt nicht nur mit Nazi-Kitsch. Gerhard Frey verdient auch an der Wohnungsnot. Allein in Berlin besitzt er mindestens 20 Häuser, in denen Dutzende von Mietparteien leben.
Freys Engagement auf dem Berliner Wohnungsmarkt ist nicht gerade dazu angetan, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. Immer mehr Menschen, die in seinen Häusern wohnen oder dort Gaststätten oder Geschäfte haben, klagen über horrende Mieten und unverschämte Gewerbepachtverträge. Gewerbemieten sind in Berlin frei verhandelbar, und seit kurzem können auch Wohnungsmieten — durch den Wegfall der sogenannten Kappungsgrenze — leichter erhöht werden als früher. Die Metropole Berlin wird mehr und mehr zum Eldorado von Miethaien und Spekulanten; und Gerhard Frey, dessen Partei in Schleswig-Holstein durch Sozialneid-Parolen und rassistische Hetze in das Landesparlament einzog, mischt kräftig mit.
Der 23jährige Drucker Carsten K. Gehörte Anfang des Jahres zu den vielen jungen BerlinerInnen, die dringend eine kleine Wohnung suchten. Im März fand er über ein Maklerbüro eine 66 Quadratmeter große Wohnung in Charlottenburg. Der Eigentümer: Gerhard Frey, vertreten durch seine Frau Regine. Die Kaltmiete für die Zweizimmerwohnung betrug stolze 895 Mark. Carsten K. unterschrieb trotzdem — weil er froh war, überhaupt etwas gefunden zu haben. Wenig später erfuhr er, daß seine Vormieterin nur etwa 300 Mark bezahlt hatte. Zwar hatten die Freys eine Heizung einbauen lassen. Eine Verdreifachung der Miete sei aber trotz dieser Modernisierung „kaum zu vertreten“, erklärte der Mitarbeiter einer Berliner Mieterberatungsstelle auf Anfrage. Carsten K. Will nun eine Klage wegen Mietwucher anstrengen. „Mehr als 600 Mark kann der für die Bude nicht nehmen!“ glaubt auch Bernd Weber, der ehemalige Eigentümer des Hauses in der Brahestraße 38. Der Klempner und Installateurmeister verkaufte das Gebäude vor einigen Jahren, im Herbst 1990 wechselte die in den zwanziger Jahren erbaute Immobilie erneut den Besitzer. Neuer Eigentümer: Gerhard Frey, vertreten durch Regine Frey.
Auch Weber, der bis heute seine Büroräume in der Brahestraße 38 hat, ist auf Frey nicht besonders gut zu sprechen. „Der versucht Geld zu machen, wo er nur kann. Um die Mieter kümmert er sich gar nicht — nur wenn's darum geht, denen die Kohle aus der Tasche zu ziehen.“
Weber hatte nach dem Verkauf seines Hauses einen Vertrag, der ihm für 3.000 Mark monatlich zehn Jahre lang die Nutzung der Büroräume und von Abstellflächen auf dem Hof zusicherte. Familie Frey interessierte das nicht: Sie setzten ihm ein Ultimatum, wollten statt 3.000 Mark 6.000 Mark kassieren. Weber ließ sich nicht einschüchtern und ging vor Gericht. Er bekam in allen Punkten recht. „Viele wissen leider nicht, was ihre Rechte sind!“ bedauert Weber. Seit die Mieterinnen und Mieter wissen, wer der neue Hausbesitzer ist, haben sie engen Kontakt miteinander. So wird manche Trickserei entlarvt. Die Auswechselung eines kaputten Fensters gab das Büro Frey als „Wertverbesserung“ aus, die Investition sollte sofort auf die Miete draufgeschlagen werden. „Das war eine ganz normale Instandhaltungsmaßnahme, mehr nicht!“ weiß Bernd Weber. Auch hier handelten die Freys nach der Vermieterweisheit: Erst mal fordern, dann mal gucken, ob was kommt.
Biedermann und Brandstifter
Ein wichtiger Grund für den Erfolg der rechtsradikalen Parteien ist die Angst in der Bevölkerung vor sozialem Abstieg; vor Arbeitslosigkeit und unbezahlbaren Mieten. Von dieser Zukunftsangst hat auch die DVU in Schleswig Holstein profitiert. Gerhard Frey kassiert gleich doppelt: Der Unternehmer treibt die Mieten in die Höhe, der Politiker erntet die Stimmen kleiner Leute, die gegen solchen Wucher protestieren wollen.
Er selbst kennt ihre Sorgen nicht. Frey wohnt im Münchner Gute-Leute-Viertel Pasing, residiert dort in der größten Villa der Gegend. Aus Angst vor Anschlägen hat er sein Zuhause zu einer Festung ausgebaut: Hinter dem schweren, meterhohen Eisenzaun seines Grundstücks wacht ein deutscher Schäferhund, das Gelände ist außerdem elektronisch gesichert. Ein Pförtnerhäuschen ist mit kugelsicheren Scheiben ausgestattet; die Eingangstür der Villa besteht aus Stahl. Besuch empfängt Frey nur in seinem Arbeitszimmer, die übrigen Räume des zweistöckigen Hauses in der Paosostraße sind für Fremde tabu.
Auch Hans-Joachim Rothe, Besitzer eines kleinen Sportgeschäftes in Neukölln, gehört zu den Frey-geschädigten Kleinunternehmern Berlins. Über 40 Jahre lang führte seine Familie einen Laden in der Hermannstraße 63 — bis Frey das Haus Anfang der achtziger Jahre kaufte. Wenige Monate nach dem Besitzerwechsel wurde Rothes Miete mehr als verdoppelt — von 3.400 auf 7.500 Mark. Das konnte er sich nicht leisten und zog um.
Die Tapeten fielen von den Wänden
Doch Frey vertrieb nicht nur ihn. „Die Leute, die damals in dem Haus wohnten, leben heute alle woanders!“ weiß Rothe. Ein regelrechtes „Entmietungsprogramm“ habe damals stattgefunden: Bautrupps zogen in das Haus, obwohl noch Mieter darin wohnten. Der Lärm sei unerträglich gewesen, erinnert sich Rothe. „Die Arbeiter rissen die Außentoiletten auf dem Flur ab — einige Mieter konnten deshalb zu Hause nicht mehr aufs Klo.“ Auch das Wasser wurde abgedreht. Während im Haus saniert wurde, wurde sich um verstopfte Dachrinnen merkwürdigerweise nicht gekümmert — obwohl die Mieter mehrfach darauf hingewiesen hatten. Resultat: „In der Wohnung einer Frau wurden die Wände feucht, weil das Wasser die Hauswand runterlief. Irgendwann kamen die Tapeten runter, das hab ich selbst gesehen!“ erinnert sich Rothe. „Ich werde bis heute den Eindruck nicht los, daß die uns vertreiben wollten, um hinterher höhere Mieten zu kassieren!“
Die taz hat sich eine ganze Reihe von Frey-Häusern in Berlin angeguckt. Besonders auffällig: Ausländische Namen finden sich nicht an den Klingelschildern. Vor kurzem erwarb Frey ein Eckhaus in der Kreuzberger Urbanstraße. Im Parterre betreibt der 47jährige Türke Ziya Topal einen Imbiß und eine Kneipe. Topal zahlte bisher 2.800 Mark Miete für beide Läden — bis Frey kam. Nun soll Topal 5.300 Mark hinlegen. Topal: „Das kann ich kaum bezahlen. Meine Kunden trinken vor allem Tee und Kaffee, da kommt nicht viel Geld rein!“ Topals Mietvertrag galt nur bis Ende März 1992. Obwohl der seit 20 Jahren in Berlin lebende Türke bereit ist, die hohe Summe künftig zu überweisen, will Frey ihn als Mieter nicht weiter dulden. „Kein Verhandlungsinteresse!“ hieß es dazu kurz und knapp im Münchner Büro. Bisher waren Topals Jahresverträge immer problemlos verlängert worden. Deshalb investierte er im vergangenen Jahr 60.000 Mark in Imbiß und Kneipe. „Das Geld ist jetzt futsch!“ ärgert er sich.
Ruft man bei Freys Kontaktmann in Berlin — einem Herrn Thiele an — um ihn zu den Fällen zu befragen, meldet sich nur ein Anrufbeantworter. Ein Reporter der ARD-Sendung „Kontraste“, der Thiele zufällig an die Strippe bekam, hörte nur zwei Worte: „Kein Kommentar!“
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