: Vorwürfe gegen Südafrikas Regierung
Waren Sicherheitskräfte für Morde und andere Gewalttaten verantwortlich?/ Enthüllungen in der Presse schwächen Position der Regierung bei der bevorstehenden Codesa-Vollversammlung ■ Aus Johannesburg Hans Brandt
Enthüllungen über die Beteiligung südafrikanischer Sicherheitskräfte an politischen Morden und Gewalt haben am Wochenende die Glaubwürdigkeit der Regierung in Verhandlungen mit schwarzen Oppositionsgruppen erneut beeinträchtigt. Die Wochenzeitung 'New Nation‘ hatte zuvor ein „Top Secret“-Dokument vorgelegt: das Protokoll eines Gesprächs, das im Juni 1985 zwischen zwei Armeegenerälen geführt worden war. Darin beschlossen beide, daß drei führende Anti-Apartheid-Aktivisten „permanent aus der Gesellschaft entfernt“ werden sollen. Zwei von ihnen, Mathew Goniwe und Ford Calata, wurden knapp zwei Wochen später zusammen mit zwei weiteren Aktivisten ermordet. Und die Wochenzeitung 'Weekly Mail‘ veröffentlichte Einzelheiten über eine Geheimeinheit der Polizei, die noch bis vor kurzem in schwarzen Wohngebieten südlich von Johannesburg Angriffe auf Mitglieder des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) anzettelte.
Das von 'New Nation‘ veröffentlichte Dokument stammt aus dem landesweiten Netz geheimer Sicherheitskomitees, die in den achtziger Jahren unter Kontrolle des Staatssicherheitsrates die Unterdrückung der Aufstände in schwarzen Wohngebieten koordinierten. Dem Dokument zufolge war der Autor des Mordbefehls gegen Goniwe und Calata der heutige Stabschef des militärischen Nachrichtendienstes, General C. Van der Westhuizen. Aber genehmigt wurde der Mord offenbar vom Staatsicherheitsrat. Präsident de Klerk erklärte am Wochenende, die Regierung hätte die beiden Morde nicht angeordnet. Gleichzeitig sagte er, eine Untersuchung der Todesursache werde eingeleitet. Die Reaktion von Polizeiminister Hernus Kriel auf die Enthüllungen der 'Weekly Mail‘ war substantieller: Er beschloß schon am Donnerstag abend, die Vorwürfe von einer unabhängigen Kommission untersuchen zu lassen. Denn die Zeitung hatte Mitglieder der Geheimeinheit mit Foto und Namen identifiziert, ein Bild von dem geheimen Hauptquartier der Einheit veröffentlicht und Aussagen von Leuten gesammelt, die für Anschläge gegen ANC-Aktivisten in den schwarzen Wohngebieten der Stadt Vereeniging rekrutiert worden waren. Die Regierung steht schon unter Druck, nachdem vor kurzem bekannt wurde, daß ein berüchtigter, von einem Richter als „Biest“ beschriebener Polizist, der wegen eines politisch motivierten Mordes zu 27 Jahren Zuchthaus verurteilt worden war, schon nach neun Monaten auf freien Fuß gesetzt wurde. Der ANC hat wiederholt behauptet, daß Mitglieder der Sicherheitskräfte noch immer Gewalt gegen die schwarze Opposition schüren. Die Enthüllungen haben besondere Bedeutung im Vorfeld der für den 16. Mai geplanten zweiten Vollversammlung des „Konvents für ein demokratisches Südafrika“ (Codesa). Ursprünglich sollte ein Abkommen über die Bildung einer übergangsregierung mit Beteiligung aller Parteien angekündigt werden. Das gibt es jedoch noch nicht. Die Regierung versucht seit Wochen, ein Ende politischer Gewalt und die Auflösung der ANC-Armee zur Vorbedingung für die Bildung einer Interimsregierung zu machen. Das hat der ANC unter Hinweis auf die Beteiligung der Sicherheitskräfte an der Gewalt verweigert.
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