piwik no script img

PORTRAITEin alter Herr als libanesischer Feuerwehrmann

■ Raschid Solh wird der neue Regierungschef in Beirut/Er steht vor schier unlösbaren ökonomischen Problemen

Berlin (taz) — Nach den anhaltenden schweren Unruhen und einem Generalstreik in Libanon ist es mal wieder so weit: Ein neuer Ministerpräsident wurde ernannt, um die Kastanien der schweren Wirtschaftskrise und der horrenden Inflation aus dem Feuer zu holen. Doch ein neues Gesicht ist der neue Feuerwehrmann der libanesischen Politik, Rashid Solh, nicht. Mit dem 66jährigen betritt wieder einmal ein Herr der alten Garde die heißen Bretter der libanesischen Bühne. Der ehemalige Jurist begann in den frühen sechziger Jahren seine politische Karriere. Ab 1964 im Parlament, brachte es der sunnitische Politiker mit Hilfe seines drusischen Sponsors Jumblat das erste Mal 1974 zum Ministerpräsidenten. Seine Religionsangehörigkeit war dabei entscheidend — denn nach einem ungeschriebenen Nationalpakt hat der libanesische Regierungschef stets ein sunnitischer Muslim zu sein, während der Staatspräsident aus den Reihen der maronitischen Christen stammen muß.

Schon Solhs damalige Amtszeit war nicht von einer ruhigen und friedlichen Atmosphäre beglückt. Diejenigen, die noch vom Libanon als der Schweiz des Nahen Ostens sprachen, wurden kurz nach Solhs Amtsantrit eines anderen belehrt. Die Zeichen standen bereits auf Bürgerkrieg und die Regierung Solh kam bald in den Ruf, zu schwach zu sein, um die Verhältnisse wieder in geordnete Bahnen zu lenken. In seine Amtszeit fiel der offizielle Beginn des Bürgerkrieges: maronitische Milizen griffen einen Bus mit Palästinensern auf dem Weg in das Flüchtlingslager Tel-al Zatar in einem Hinterhalt an und erschossen 27 Passagiere. Die Maroniten wollten sich damit für einen Überfall auf eine Kirche am gleichen Tag rächen, in der der maronitische Führer Gemayel gerade die Messe besuchte. Die christlichen Milizen waren überzeugt, daß palästinesische Kommandos hinter dem Überfall standen. Der Fall wurde nie vollends aufgeklärt. Im politischen Nachspiel auf diese Vorfälle mußte Solh seinen Hut nehmen. Alle Seiten beklagten sich damals, daß die Regierung weder zur Verhinderung noch zur Aufklärung der Vorfälle fähig war. In seiner Abtrittsrede bemerkte Solh, daß es nach seiner bitteren Erfahrung im Amt in der libanesischen Politik keine Chance mehr für einen Kompromiß gebe. Damals gab der Politiker seine vermittelnde Haltung zwischen den streitenden Parteien auf und verurteilte die Aktionen der christlichen Milizen.

Auch, wenn heute in Beirut nicht geschossen wird — die Zeiten sind instabil. Die sozialen Unruhen der letzten Woche haben die Libanesen daran erinnert, daß sie das Tief noch nicht überwunden haben. Für die enormen wirtschaftlichen Probleme gibt es keine griffigen Patentlösungen. Die vor dem Bürgerkrieg für ihre Stabilität so bekannte libanesische Lira stürzte in den letzten Monaten endgültig ab. Waren im Februar für einen Dollar 880 Lira zu haben, sind es heute mehr als 2.000. Wie Solh diese Probleme löst, steht vorläufig in den Sternen. Sein wichtigster Pfand ist die Unterstützung der Syrer. Ohne Zustimmung aus Damaskus führt kein Weg auf den Sessel des libanesischen Regierungschefs. Schon mehren sich in Beirut die Stimmen, die darüber lästern, daß Solhs Ernennung bereits vor einigen Tagen in Damaskus ausgeklüngelt wurde. Die Zustimmung der libanesischen Politiker war dabei reine Formalie, sagen sie.

Bleibt zu hoffen, daß Solhs Pech vor 17 Jahren kein schlechtes Zeichen für die Zukunft ist. Vielleicht hat er diesmal etwas mehr Glück, die stürmischen Wellen des Libanon zu glätten. Wer an den Vorsatz „nomen est omen“ glaubt, der wird vielleicht optimistisch gestimmt. „Solh“ bedeutet nämlich soviel wie „Versöhnung“. Karim El-Gawhary

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen