: SPD-Spitze streitet munter weiter
■ Klose: Das Ende der Regierung Kohl ist nicht in Sicht/ Lafontaine: Koalition zerfällt
Berlin (afp) — Die SPD-Spitze ist sich über den künftigen Oppositionskurs offenbar uneins: Der Fraktionsvorsitzende Hans-Ulrich Klose forderte seine Partei auf, die Diskussion um vorgezogene Neuwahlen und ein Auseinanderbrechen der Bonner Koalition zu beenden. Er sehe „bisher nicht das nahe Ende der Regierung Kohl“, sagte Klose der Berliner Zeitung 'BZ‘. Seiner Ansicht nach werden sich Union und FDP „bis zur Wahl 1994 durchwursteln“. Deshalb sollten alle Neuwahl-Überlegungen und Koalitionsspiele zu den Akten gelegt werden. Dagegen setzt der saarländische Ministerpräsident und stellvertretende Parteichef Oskar Lafontaine auf einen raschen Zerfall der Bonner Koalition.
„Wenn die Koalition zerbricht— das heißt: wenn die ganze FDP und nicht nur Herr Genscher sich abseilt—, dann hat der Kanzler keine Mehrheit mehr im Bundestag“, sagte Lafontaine dem ARD/ZDF-Videotext. Über mögliche neue Koalitionen sollte aber erst dann geredet werden, wenn das Bonner Regierungsbündnis keine ausreichende Mehrheit mehr hat. „Es ist nicht sinnvoll, Felle zu verteilen, wenn man den Bären noch nicht erlegt hat“, betonte der saarländische Regierungschef. Nach einem Zerfall der Koalition von CDU/CSU und FDP müsse aber neu gewählt werden. Zum Gespräch zwischen SPD und Koalition am 27. Mai sagte Lafontaine, dies mache nur dann einen Sinn, wenn die Koalition auf die Forderungen nach Umverteilung, Einsparungen und mehr sozialer Gerechtigkeit auch eingehe. Bislang laufe „alles aus dem Ruder“.
Dagegen bezeichnete Klose die Probleme der Bonner Koalition als „normale Verschleißerscheinungen einer lange in der Regierung befindlichen Koalition“. Er verteidigte die von der SPD-Führung vorgeschlagenen Steuererhöhungen und Einsparungen im Umfang von 40 Milliarden Mark zur Sanierung des Bundeshaushalts. Die von der Bundesregierung zu verantwortende Kassenlage sei „so desolat“, daß sie nur durch deutliche Solidaritätsopfer in Ordnung gebracht werden könne. Es sei eine Sache der Ehrlichkeit, das deutlich beim Namen zu nennen. Nach den Worten Kloses „drückt sich“ die Koalition davor und „lügt sich in die eigene Tasche“. Zugleich warnte der SPD-Politiker seine Partei vor Forderungen nach weiteren Streichungen im Verteidigungshaushalt. Die von der SPD verlangten Kürzungen um vier Milliarden Mark jährlich seien „die Grenze“, sagte Klose.
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