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EG-Agrarhilfen werden weiter steigen

Egal, was die Agrarminister diese Woche beschließen: Der Kompromiß wird auf jeden Fall teuer  ■ Aus Brüssel Michael Bullard

Nicht der Mangel löst in der EG Krisen aus, sondern der Überfluß. Milchseen und Fleischberge belasten die SteuerzahlerInnen, die Umwelt und die internationalen Handelsbeziehungen. Einen Ausweg aus dem endlosen Agrardebakel hatte EG-Kommissar Ray MacSharry schon vor eineinhalb Jahren vorgeschlagen. Vor dem Weltwirtschaftsgipfel im Juli in München wollen die EG-Landwirtschaftsminister in Brüssel nun die Eckwerte für die lange überfällige Agrarreform festlegen. Nächsten Monat soll sie dann formell beschlossen werden. Man hofft, damit die seit Jahren festgefahrenen Gatt-Verhandlungen über den weltweiten Abbau von Handelsschranken zu beleben.

Der Moloch „gemeinschaftliche Agrarpolitik“ datiert noch aus den Anfängen der EG, als in Europa zuwenig Lebensmittel hergestellt wurden. Die damals entwickelten Förderprogramme für eine industrielle Landwirtschaft sind heute noch im Einsatz. Folge: Es wird in Übermaßen produziert. Eine grundlegende Neugestaltung der Agrarpolitik, darüber sind sich die Beteiligten seit Jahren einig, wäre also dringend nötig, nur die Richtung ist umstritten.

Dies trifft auch auf MacSharrys Reformvorschlag zu. Sein Hauptanliegen: Die landwirtschaftliche Produktion soll eingedämmt werden. Dazu möchte der Kommissar die garantierten Agrarpreise drastisch verringern, die Produktionsquoten senken und unrentable landwirtschaftliche Flächen stillegen. Als Ausgleich für die Einkommensverluste sollen direkte Beihilfen an die Bauern gezahlt werden.

Im Zentrum seines Reformvorschlags stehen die Milchquoten und die Getreidepreise, an denen sich die Preise für andere landwirtschaftliche Güter orientieren. Den Getreidepreis will die EG-Kommission um 35 Prozent auf Weltmarktniveau senken. Bundeslandwirtschaftsminister Ignaz Kiechle (CSU) möchte Kürzungen von maximal 20 Prozent zugestehen. Noch härter wird um die Milchquoten gefeilscht. Die EG- Kommission möchte sie kürzen. Die Agrarminister Italiens, Spaniens und Griechenlands fordern hingegen eine Erhöhung.

Angetreten war MacSharry mit dem Ziel, die horrenden Ausgaben für die „gemeinsame Landwirtschaftspolitik“ zu verringern und die Subventionen sozial gerechter zu verteilen. Letztes Jahr noch waren die Ausgaben für die EG-Agrarpolitik um etwa 30 Prozent auf 65 Milliarden DM gestiegen. Davon gingen über 15 Milliarden in die Lagerhaltung, weitere 24 Milliarden in die Exportsubvention, mit deren Hilfe die Überschüsse auf dem Weltmarkt verschleudert werden können. Neben den Lagerhaltungsfirmen und Agrarmultis profitierte die Minderheit der Großbauern, die 80 Prozent der EG-Subventionen einsteckt. Für die übrigen 10 Millionen Bauern in der Gemeinschaft reicht es häufig nicht einmal zum Überleben.

Deswegen wollte der irische Kommissar den direkten Einkommensausgleich sozial staffeln. Nach seinen Ideen wären die Großbauern leer ausgegangen. Die Lobby der Agromultis, Lagerfirmen und Großbauern lief jedoch Sturm. Ergebnis: Der Kompromiß, den die Minister dieser Tage beraten, sieht vor, daß nicht nur kleinere und mittlere, sondern auch die leistungsfähigeren Großbetriebe für die geplante Stillegung von Nutzflächen voll entschädigt werden. So steht bereits fest: Die Ausgaben für den EG-Agrarhaushalt werden weiter steigen statt sinken.

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