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Deklamierende Kleiderständer

■ Christrian Bertram hat in der Kulturbrauerei Corneilles »Medea« inszeniert

Der mythologische Stoff um Medea und Jason wurde seit der Tragödie des Euripides häufig bearbeitet, in unserem Jahrhundert etwa von Hans Henny Jahnn, Heiner Müller und Pasolini. Eine frühe und relativ unbekannte Bearbeitung stammt von Pierre Corneille; Christian Bertrams Übersetzung und Inszenierung des Stückes aus dem 17. Jahrhundert spricht dafür, daß es nicht zu Unrecht in Vergessenheit geriet. Die vollmundig angekündigte Inszenierung (»Mit Corneilles ‘Medea‚ verwandelte sich die Bühne des abendländischen Theaters. Der Mensch erschien. Und seinem Erstaunen, daß so etwas möglich ist, gleicht das Drama Corneilles: einem Feuerwerk auf dem Grunde der Nacht.«) bietet eine trostlose Enttäuschung: Kein »Feuerwerk«, sondern eine verquaste Schaumschlägerei.

Ebenso vollmundig wie für seine Inszenierung wirbt der weithin unbekannte Regisseur für seine Person: Im Pressinfo protzt er damit, vor einem Jahrzehnt an der Schaubühne Becketts Ohio Impromptu inszeniert zu haben. Man fragt sich, weshalb er nach dieser Regiearbeit in der Versenkung verschwand und er fährt im Programmheft der Schaubühne, daß er den Text lediglich »eingerichtet« hat. Bertram scheint jemand zu sein, dessen Talent sich darauf beschränkt, Erwartungen zu wecken, die seine Arbeit in keinem Moment einlösen kann.

Zum Bühnengeschehen: Die Schauspieler stehen steif und hilflos zwischen einigen gestaffelten, neutralen Stellwänden herum (Bühne: Olga von Wahl), warten auf ihr Stichwort und deklamieren korrekt ihre Verse: In den besten Momenten liefern sie gepflegte, dezent rhythmisierte Sprecharien. Während man dem zuschaut, fragt man sich, weshalb Friedhelm Prtok (Jason) und Uta Prelle (Medea) sich für solche Exerzitien der Langeweile hergeben: Selbst diese doch zweifellos ernst zu nehmenden Schauspieler agieren als deklamierende Kleiderständer, die weder mit sich noch mit ihren Figuren, noch mit dem Text etwas anzufangen wissen. Beim Rest des Ensembles fällt es schwer, von Schauspielern zu sprechen: Charlotte Ulrich (Medeas Zofe) und ihre Mitspieler bieten begabtes Schultheater, Holger Kepich (Creon) ist ein dröhnender Rentner im Schlafrock, der mit dem Schwert fuchtelt, als sei es ein Zahnstocher, dauernd völlig unmotivierte Pausen macht und durch seine offenbare Textunsicherheit für das einzige Spannungselement des Abends sorgt: Bei jedem Textloch rätselt man, ob das bedeutungsschwer sein soll oder ob er seinen Text vergessen hat und hilflos versucht, den Hänger zu kaschieren.

Offenbar hat Bertram versucht, das Spiel auf die Sprache zu reduzieren und eine zwar unsinnliche, spröde, aber konzentrierte und der Schwere des mythologischen Stoffes angemessene Inszenierung herzustellen; aber ebenso offensichtlich genügt sein Talent für solch ehrgeizige Unternehmungen nicht: Was er zu bieten hat, ist bloß eine überambitionierte Peinlichkeit. P. Laudenbach

Pierre Corneille: Medea. Weitere Vorstellungen bis zum 29. Mai im Kesselsaal der Kulturbrauerei (Schönhauser Allee 36); 7.-21.6. im Tacheles

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