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EIN BESCHEIDENER VORSCHLAG Von Hans-Georg Behr

Aloysius, sollte der je wieder aus München in den Himmel wollen, könnte dies nur noch über Franz Josef Strauß. Unsere Nicht-Weltstadt mit Nicht-Herz möchte denn doch was sein, und aus wirklichen Städten kommt man bekanntlich nur über Tote raus, ob nun über J.F. Kennedy aus New York oder de Gaulle aus Paris. Wenn schon nicht den Mimen, flicht die Nachwelt wenigstens ihren Knallchargen Kränze (Hey Bonn: Wo bleibt dein Alter? Berlin, wo dein J.F.K.?).

Dies alles und noch mehr muß diese Woche unserem Waigel durch das hinter den Brauen gezuckt sein, als er wieder einmal über die Europawährung nachdachte. Die zu verhindern, wäre doch seine vornehmste Aufgabe. Wenn sie aber doch stattfände, sollte sie zumindest Waigel heißen. Nein, entgegnete ein Berater, das sei zu durchsichtig. Selbst Kohl würde merken, daß hier gezielt auf den Widerwillen der Bevölkerung kalkuliert werde. Außerdem könne derart nur verewigt werden, wer schon verewigt sei, und der Übergang der siechenden Mark zum Waigel erinnere doch fatal an den vom Mann zum Greis... Da blitzte es im Franken: Dann solle der Ecu künftig zumindest Franken heißen (wegen Heimat, nicht wegen der Schweizer Stabilität)! So sagte er's uns denn auch, also so ähnlich.

Da wir unser Dauerthema Idiotie heute nicht auf unserer Moraldiskette abhandeln wollen, bleibt naheliegend Kohls Regierungserklärung von vor fast zehn Jahren, also die „Politik mit einem menschlichen Gesicht“. Unter den gegebenen Umständen scheiden Landschaften wegen zu großer Diskriminierungsgefahr ohnedies aus, Franken mitberücksichtigt. Ein Oggersheimer... Nicht auszudenken, wie die zwei, drei netten Menschen dort zu leiden hätten!

Begeben wir uns lieber, wie unsere Politiker gerne fordern, in die Wiederaufbauphase unserer Republik. Dort finden wir nicht nur die guten Trümmerfrauen, an denen es uns nun so gebricht, sondern auch Kölns Kardinal Frings, der angesichts der allgemeinen Not das sündhafte Sichaneignen von Kohle so verständlich fand, daß jener im Strafgesetzbuch anders bezeichnete Vorgang bald „fringsen“ hieß. Während wir also den Oggersheimer Miesling den Scherzbolden überlassen, eröffnen wir hier den Philologen ein neues Feld. Was, z.B. heißt kinkeln? Ist es nur eine nicht so heisere Form von genschern oder unter südwestlicher Scheinbiederkeit verpackte Superhärte? Klosen, hat uns die letzte Zeit gelehrt, ist das charaktervolle Beharren eines Stückchens Butter auf einer heißen Kartoffel, und über die Bedeutung von „schwätzern“ blieben auch keine Zweifel offen.

Bevor wir weiter so möllemannen oder gar töpfern (= umweltgefährdenden Wortschaum schlagen), könnten wir uns auch überlegen, ob nicht das aus NS-Zeiten unliebsame Wort Gebärzwang durch Rönsch ersetzt werden könnte oder der linkshaberisch belastete Begriff Entsolidarisierung durch Merkel. Wer würde nicht sofort verstehen, was ein Blüm ist?

Wir sollten uns Gedanken machen. Ganz allgemein wird ja jährlich bei der Tagung der Akademie für Sprache die Verarmung der Sprache beklagt. Und nachdem wir so viele Schritte in die richtige Richtung machen mußten, wäre dieser vielleicht ein Ausweg aus der Sackgasse. Vor allem ließe sich so unwiderleglich zeigen, daß unsere Politiker ihre sinnstiftende Aufgabe wahrnehmen.

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