: Kapitulationsmuseum wird gewendet
■ Ausstellung der Roten Armee bleibt erhalten/ Unter Federführung des Deutschen Historischen Museums erarbeitet eine Expertenkommission ein neues Konzept für den historischen Ort in Karlshorst
Lichtenberg. Die gute Nachricht zuerst. Die Ausstellung mit dem monströsen Titel Museum der bedingungslosen Kapitulation des faschistischen Deutschland im Großen Vaterländischen Krieg 1941-1945 wird nach Abzug der GUS-Armee aus Deutschland nicht demontiert und nach Moskau verlagert, sondern verbleibt am historischen Ort in Karlshorst. Das Gesamtgebäude, das Arbeitszimmer von Marschall Shukow und der Raum, in dem Generalfeldmarschall Keitel vor 47 Jahren die bedingungslose Kapitulation unterschrieb, sollen historisch genau rekonstruiert werden.
Die schlechte Nachricht: Aber sonst ändert sich alles, und zwar bald. Zum 50. Jahrestag der Befreiung von nationalsozialistischer Gewaltherrschaft und dem Ende des Krieges in Europa, am 8. Mai 1995, soll die Ausstellung völlig neu konzipiert werden; ideologisch, sprachlich sowie von Fehlern gereinigt und um einige Themenbereiche erweitert, wird sie neu eröffnet. Es wird dann nicht mehr — wie in den letzten 25 Jahren — eine Hommage an die ruhmreiche sowjetische Armee sein, die das deutsche Volk vom Joch der Nazi-Diktatur befreite und in den sozialistischen Internationalismus führte, sondern es wird ein didaktisch korrektes und historisch genaues Museum werden. Also ein Museum über den Krieg gegen die Sowjetunion, der deutschen Kapitulation vor den Streitkräften der Anti- Hitler-Koalition und der deutsch-sowjetischen Beziehungen in der Nachkriegszeit.
Natürlich sah Helmut Trottnow, beamteter Experte des für die Umgestaltung von Karlshorst zuständigen Deutschen Historischen Museums, (DHM) alles ganz positiv. Auf einer Diskussionsveranstaltung am Montag abend im Haus der Russischen Kultur verteidigte er gegen heftigen Widerstand von Zeitzeugen und Mitgliedern des »Bunds der Antifaschisten« das Modernisierungskonzept. Die Neukonzeption sei nicht nur ein deutsches Anliegen, sondern läge vorrangig im Interesse russischer Historiker. Man habe eine gemeinsame Kommission gegründet (von deutscher Seite nehmen die Gedenkstättenexperten Reinhard Rürup und Eberhard Jaeckel daran teil), und deutlich sei geworden, daß den russischen Historikern die derzeitige Ausstellung zu zeitgebunden sei. Sie entspräche nicht mehr dem Stand der russischen Geschichtswissenschaft. Im übrigen, meinte Trottnow, sei die Einseitigkeit dieses Museums für die deutsch-russischen Beziehungen kontraproduktiv und zu oberflächlich. Bedacht werde müssen, sagte er wolkig, daß »die Tiefen unserer Geschichte an manchen Stellen wahrlich sehr, sehr tief« sind, und dies »müsse zum Ausdruck kommen«.
Gegen diese Wortkaskaden und alles vernebelnden Argumente formulierte die freie Journalistin Dorothee Wenner die Gegenposition. Der Wert des Kapitulationsmuseums bestände gerade in der Zeitgebundenheit. Die idealisierende Selbstdarstellung der Roten Armee und ihre nur heroisch präsentierte Rolle sei »Zeitgeschichte an sich«. Das Museum sollte komplett als »Dokument« erhalten bleiben, hätte einen unschätzbaren »Quellenwert« für den Zeitgeist der sechziger Jahre und »fasziniere« gerade wegen seiner Lücken. Die neumodischen Museen, mit all dem »Schnickschnack«, wie Videokästen und laufenden Tonbändern seien »langweilig«. Sinnvoll wäre einzig, die russischen Texte zu übersetzen und einen Ausstellungskatalog zu erarbeiten, in dem mit Wort und Bild diese Einseitigkeit historisch begründet wird. aku
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