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Die Studenten wollen ihren Tower halten

■ Senatsvertreter im Studentenwerk stimmen gemäß den Mercedes-Plänen für den Abriß des Bellevue-Towers

So kontrovers die Positionen gestern vormittag im sogenannten Kaminzimmer der Humboldt- Universität auch waren, blieb die Sitzung des Verwaltungsrates des Studentenwerkes dennoch ein abgekartetes Spiel. Bereits im April hatte der Senat den Abriß des als »Bellevue-Tower« bekannten Studentenwohnheims in Berlin-Tiergarten beschlossen. Jetzt saßen fünf weisungsgebundene Vertreter des Senats den vier Sprechern der Studenten gegenüber. Der Delegierte der Beschäftigten des Studentenwerkes hätte als Zehnter im Bunde eine Pattsituation herbeiführen können. Doch gibt in diesem Fall die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. Und den hatte der Senatsvertreter Naumann inne.

Im Zusammenhang mit der Bebauung des Potsdamer Platzes war das Grundstück von der Daimler-Benz AG erworben worden. Durch eine Ablösezahlung von sieben Millionen Mark erwarb der Konzern das Recht, die ursprünglich bis zum 30.6. 1999 laufenden Mietverhältnisse für 281 Studentenappartements bereits zum 30.4.93 zu kündigen. Als Ersatz will der Senat den Neubau eines Wohnheims am Spandauer Damm fördern. Die Finanzierung und Fertigstellung dieses Gebäudes ist bislang noch nicht geregelt. Den im Bellevue-Tower gekündigten Studenten soll aber auf jeden Fall Ersatzwohnraum für die Übergangszeit garantiert werden.

»Studenten sind doch sonst so mobil«, weiß Senatsvertreter Henning, der selbst am Verkauf des Geländes mitgewirkt hat. Der Zorn der Studenten entzündet sich an der Tatsache, daß entgegen aller beschwichtigenden Äußerungen hier reale Wohnraumvernichtung betrieben wird. Der Neubau am Spandauer Damm ist bereits seit 1988 unabhängig von den Mercedes-Plänen geplant und damit nicht als »Ersatzraum« zu bezeichnen.

Kritik gibt es auch an der Ablösesumme von Mercedes an den Senat. Damit wird der Konzern von diversen anderen baurechtlichen Auflagen (zum Beispiel Zweckentfremdungsverbot, Abrißgenehmigung) befreit, während die öffentliche Hand fünf Sechstel der Kosten für ein neues Wohnheim selbst finanzieren muß. Allerdings wird Mercedes das Geld nur übergeben, wenn die Wohnungen Ende April 1993 tatsächlich leer sind. In der »Macht der Mietverträge« sieht Josef Horstmann von der Studentenvertretung darum auch die juristische Chance für die Noch-Bewohner. »Rauszwingen kann uns hier schließlich keiner«, meint er.

Die Senatsvertreter, die im Studentenwerk die Mehrheit stellten, stimmten erwartungsgemäß für den Abriß des Gebäudes. Angesichts solch »scheindemokratischer Vorgehensweise« kündigt Ralph Bruning vom Asta der FU eine Demonstration aller Berliner Studenten an. Jantje Hannover

Siehe Kommentar Seite 21

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