: ANC beginnt mit Massenprotesten
Johannesburg (taz) — Krisengespräche zwischen der südafrikanischen Regierung und dem Afrikanischen Nationalkongreß (ANC) am Wochenende haben die bevorstehende scharfe Konfrontation zwischen beiden Seiten nicht verhindern können. Mit einem Generalstreik und etwa 70 Versammlungen im ganzen Land startet der ANC heute eine Welle von Massenprotesten, die die Regierung zu weitreichenden Zugeständnissen in Verhandlungen über die Zukunft des Landes zwingen soll. Regierungssprecher haben die Aktionen als „Zeitverschwendung“ beschrieben, aber zusätzliche Sicherheitskräfte mobilisiert.
Der ANC hat die Mobilisierung von Soldaten am Wochenende als eine „Kriegserklärung“ beschrieben. In umstrittenen Anzeigen rief die Polizei allerdings zu „legalen, friedlichen“ Aktionen auf. Die Anzeigen stellten ein Farbfoto einer bei gewalttätigen Protesten ermordeten Frau einem Bild von Martin Luther King gegenüber. ANC-Vertreter verurteilten den „groben Versuch, Massenaktionen mit Gewalt in Verbindung zu bringen“.
Als erste Aktion beschlagnahmte die Polizei am Sonntag mehr als 2.000 Waffen, darunter etwa 50 Schußwaffen. Die Waffen wurden Unterstützern der Zulupartei Inkatha abgenommen, die auf dem Weg zu einer Versammlung in Soweto waren. Damit ging die Polizei erstmals in einer solchen Großaktion gegen Inkatha-Mitglieder vor, was von einigen Beobachtern als versöhnliche Geste dem ANC gegenüber gewertet wurde.
Die Protestwelle der nächsten Wochen wird wohl endgültig über den Ausgang der Gespräche zwischen Regierung und ANC entscheiden. Zentral ist dabei, welche Seite sich als „moralisch überlegen“ behaupten kann. Sollten Demonstrationen zu Gewalt führen, würde das Image des ANC schwer leiden. Sollten andererseits die Sicherheitskräfte die Fassung verlieren und auf friedliche Demonstranten schießen, hätte die Regierung den Schwarzen Peter.
Der Aktionsplan des ANC sieht vier Phasen vor: In der ersten Phase bis Ende Juni sollen Proteste, Sit-ins und Boykotte die Einsetzung einer Übergangsregierung erzwingen. Wenn das scheitert, sollen diese Aktionen im Juli gesteigert werden, darunter die Besetzung von Regierungsgebäuden und die Überlastung von amtlichen Telefon- und Faxleitungen. Die dritte Phase soll Mitte August in einem mehrtätigen Generalstreik gipfeln. In der letzten, vierten Phase würde dann, so der ANC- Plan, der Sturz der Regierung folgen.
Verschiedene Kommentatoren haben in den letzten Tagen spekuliert, daß die Regierung das Abdriften der Demonstrationen in eine Gewaltwelle nutzen könnte, um einen Ausnahmezustand zu verhängen. Hans Brandt
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