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Die Suche nach dem Geld der Maxwells

Die Söhne und Nachfolger des Medienmagnaten Robert Maxwell sind gestern verhaftet worden/ Sie sollen in die Milliarden-Betrügereien ihres verstorbenen Vaters verwickelt sein/ Pech für Pensionäre  ■ Aus London Ralf Sotscheck

Ian und Kevin Maxwell, die Söhne des am 5.November unter dubiosen Umständen ertrunkenen britischen Medienzars Robert Maxwell, sind gestern früh in London verhaftet worden. Ebenfalls festgenommen wurde Larry Trachtenberg, der Direktor der Investmentgesellschaft, die die Pensionskassen des Maxwell- Verlagsimperiums verwaltete. Nach einem ersten Verhör wurden sie der Verschwörung zum Betrug angeklagt. Der 33jährige Kevin Maxwell steht zudem mit Larry Trachtenberg unter Diebstahlsanklage.

Die Verhaftungen sind durch eine Untersuchung des britischen Betrugsdezernats ausgelöst worden. Das Dezernat hatte herausgefunden, daß Robert Maxwell in den Monaten vor seinem Tod mehr als 600 Millionen Pfund (1,8 Milliarden Mark) aus den Pensionskassen seiner privaten und öffentlichen Unternehmen unterschlagen hatte, um damit Bankschulden abzudecken und die Kurse seiner Aktiengesellschaften zu stützen. Die Maxwell-Brüder hatten das Medienimperium ihres Vaters, zu dem damals auch 50Prozent der Anteile am (Ost-)Berliner Verlag gehörten, nach dessen Tod übernommen. Auch in der Kasse der zum Berliner Verlag gehörenden Druckerei fehlte ein Millionenbetrag, wie die Manager von Gruner+Jahr nach dem Tod ihres Geschäftspartners entdeckten, als sie den Maxwell-Anteil übernahmen.

Bereits eine Woche nach Maxwells Tod begann das hochverschuldete Imperium zusammenzubrechen. Die beiden Aktiengesellschaften Maxwell Communication Corporation (MCC) und Mirror Group Newspapers (MGN) standen bei den Banken mit 1,5 Milliarden Pfund (4,5 Milliarden Mark) in der Kreide, die rund 400 privaten Maxwell-Unternehmen schuldeten ihren Gläubigern etwa 800 Millionen Pfund (2,4 Milliarden Mark). Die Kredite für seine Privatunternehmen hatte Maxwell mit seinen Anteilen an MCC und MGN abgesichert. Als deren Kurs jedoch sank, griff Maxwell in die Pensionskassen.

Ein Dokument, das dem britischen 'Independent‘ in der vergangenen Woche zugespielt wurde, soll beweisen, daß Kevin Maxwell im April 1991 den Verkauf von 25 Millionen MCC-Aktien aus der Pensionskasse angeordnet hatte. Das war zwar legal, die spätere Verwendung des Erlöses jedoch nicht: Die Maxwells leiteten das Geld über die US- Anlagebank Goldman Sachs an zwei Schweizer Unternehmen, die von einer Stiftung in Liechtenstein kontrolliert wird. Mit diesem Geld kaufte Robert Maxwell dann dieselben MCC-Aktien in seinem eigenen Namen, um ihren Wert an der Börse zu stützen. US-Konkursverwalter haben außerdem einen anderen Geldstrom entdeckt, der in die Kassen von Maxwells Pergamon-Holding im US-amerikanischen Delaware floß — diese Firma wird ebenfalls von der Liechtensteiner Stiftung kontrolliert.

Die Anwälte aus dem Herzogtum, die die Stiftung verwalten, gaben am Mittwoch zum ersten Mal zu, daß mindestens zehn Millionen MCC- und MGN-Aktien im Besitz der Stiftung seien. In einer Pressekonferenz sagte der Anwalt der Stiftung, Kamil Braxator, man „überprüfe derzeit die Legalität“ der Transaktion. Die Aktien seien von Goldman Sachs „im Auftrag von unbekannten Dritten“ in der Stiftung deponiert worden.

Werner Keicher, der Vorsitzende der 1970 von Robert Maxwell gegründeten Stiftung, behauptete zwar, die Maxwell-Familie habe keinerlei Einfluß auf die Stiftung. Fest steht jedoch, daß Kevin Maxwell im Londoner Büro der US-Softwarefirma Sphere sitzt, die zu 89Prozent im Besitz von Swico ist. Und Swico wiederum ist eine Tochtergesellschaft der Stiftung. Und Kevins und Ians Schwester Christine arbeitet in den USA bei PH Incorporated, die vollständig im Besitz von Swico ist. Dennoch sagt Keicher: „Es ist völlig unmöglich, daß Mitglieder der Familie von Zahlungen der Stiftung profitieren können.“ Allerdings mußte er einräumen, daß die Stiftung in den 22 Jahren ihrer Existenz nicht einmal vier Millionen Pfund ausgezahlt hat. Keicher will jetzt soviel Geld wie möglich für die Pensionskassen lockermachen. „Die Maxwell-Stiftung ist schließlich eine Wohltätigkeitsorganisation“, sagte er.

Die Zahlungen an die Pensionäre der Mirror-Gruppe sind nur bis Ende des Jahres gesichert. Die britische Regierung hatte in der vergangenen Woche jede finanzielle Hilfe abgelehnt: Man gedenke nicht, für die Betrügereien eines Privatunternehmers geradezustehen. Unterdessen versuchten die Maxwell-Brüder fieberhaft, Millionenbeträge aus dem Privatvermögen des verstorbenen Verlegers vor dem Zugriff der Konkursverwalter zu schützen, indem sie das Geld mit rasender Geschwindigkeit von einer Bank zur anderen verschoben. Neben den Geldern, die zu Maxwells wohltätiger Stiftung in Liechtenstein umgeleitet wurden, landeten mindestens vier Millionen Pfund über Irland und Deutschland bei einer französischen Bank. Ein Gericht in Paris muß nun entscheiden, wem das Geld zusteht. Peter Phillips, einer der Konkursverwalter, vermutet, daß „rund um den Erdball weitere Beträge aus dem Maxwell-Vermögen lagern, die nur darauf warten, daß man über sie stolpert“.

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