piwik no script img

Schüler strafversetzt

■ Merkwürdige Maßnahmen in der Schule Schmidtstraße

Am Donnerstag dieser Woche haben einige Eltern aus dem Viertel ungewöhnliche Post bekommen. Die Schulleiterin der Grundschule an der Schmidtstraße unterrichtete die Eltern, daß ihre Kinder ab sofort nicht mehr in die 4a gehen, sondern auf alle möglichen Klassen verteilt worden sind. „Diese Maßnahme ist keine Disziplinarmaßnahme. Sie soll Ihrem Sohn/Ihrer Tochter ermöglichen, frei von einem Gruppenzwang die letzten Schultage zu beenden“, hieß es in dem Schreiben. Und Viertklässer mußten sich zu den I-Männchen setzen.

Die Versetzungen und die Briefe haben den letzten Akt eines Kleindramas eingeläutet, das das ganze Schuljahr über in der 4a der Schmidtstr. gegeben wurde. „Der Zoff in der Klasse hat sich unheimlich hochgeschaukelt“, meinte Uli Barde, einer der Elternsprecher. Immer wieder ergab sich eine explosive Mischung aus schwierigen Kindern, überforderten Lehrern, schlechten Rahmenbedingungen und einer Schulleitung, die nicht immer geschickt auf die Eltern zugegangen ist.

Die Klasse sei dabei gar keine schwierige Klasse, meinte der Elternsprecher, „sie ist unter dem Druck nur schwierig geworden.“ Sicherlich sei es nicht einfach, mit Kindern umzugehen, die nicht mehr still sitzen. Sicher seien, vorsichtig furmuliert, gerade die Kinder Alleinerziehender eher egoistisch und wenig bereit, die eigenen Bedürfnisse zurückzustellen, aber die Schule habe viel zu selten deeskalierend reagiert - in ihrer Not griffen Lehrerin und Schulleitung oft zum einfachsten Mittel: sie schlossen die Störenfriede aus.

Lehrerin und Schüler standen sich am Ende so unversöhnlich gegenüber, daß ein Schulpsychologe eingeschaltet wurde. Dem gelang es, den Konflikt für eine Zeit zu befrieden. Die Eltern einigten sich mit der Schulleitung darauf, für die letzten Wochen die Klasse in Halbgruppen zu teilen, aber wegen einer Krankheit der Lehrerin wurde dieses Modell nicht probiert. Nun, in der letzten Woche vor den Ferien, machte die Schulleitung noch einmal einen Vorstoß. Sie schrieb obigen Brief, aber erst, nachdem sie ein Drittel der Klasse schon strafversetzt hatte.

Das empörte die Eltern derart, daß sie jetzt einen offenen Brief an die Bildungsbehörde geschrieben haben, in dem sie heftig gegen die Maßnahme protestieren. „Diese Situation ist unhaltbar, und wir werden unter diesen Bedingungen unseren Kindern freistellen, ob sie die letzten Tage die Schule besuchen wollen oder nicht,“ heißt es da. Uli Barde: „Auch wenn die Schulleitung sagt, die Kinder würden sich alle wohlfühlen: Sie empfinden das als Strafmaßnahme.“ Das Schreiben der Schulleitung hatte geendet: „Der Rest der 4a wird es so ermöglicht, die letzten Schultage freier zu gestalten.“

Jochen Grabler

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen