PRESS-SCHLAG: „Stepi“ nach Dänemark!
■ Das Unwesen der blassen Trainer muß ein Ende haben: Zwangs-Teamchefs für die EM-Teilnehmer
Eine nicht ganz unwichtige Rolle bei einer Fußball-Europameisterschaft spielen die Trainer und so, wie es eine Qualifikation für die einzelnen Mannschaften gibt, sollte es auch eine spezielle Qualifikation für ihre Trainer geben. Die Mannschaft motivieren? Das dürfte bei einer EM kaum nötig sein. Die richtigen Spieler aussuchen? Das kann man gleich ganz den Boulevardzeitungen überlassen. Eine abgefeimte Taktik ersinnen? Nun gut, ein wenig Fußballverstand kann nicht schaden. Worauf es aber wirklich ankommt, das ist der Unterhaltungswert. Und der tendierte bei den Trainern dieser EM rapide gen Null.
Die Pressekonferenzen in Schweden glichen Begräbnisfeierlichkeiten, die Hauptakteure würden bei jeder beliebigen Betriebsfestivität oder Kaffeefahrt als pure Zumutung mit Schimpf und Schande von der Bühne gejagt. GUS-Trainer Anatoli Byschowetz jammerte, sofern man seinem noch wortkargeren Dolmetscher glauben konnte, unablässig über die Spieler, die ihm nicht zur Verfügung standen, und es war das reinste Wunder, daß er auf die Nennung von Oleg Blochin und Lew Jaschin verzichtete. Ansonsten rechnete er vor, wie viele Prozent sein Team vom wahren Leistungsvermögen entfernt sei. Seine Rechnung stellte sich am Ende als ziemlich exakt heraus, ernstgenommen hatte sie aber niemand. „Den kenne ich von früher, dem glaube ich kein Wort“, sagte Berti Vogts. Ein raffinierter Lügenbold also, aber besser ein Lügner als ein Langweiler.
Ein solcher ist Tommy Svensson. Schwedens Schulkinder können sich beglückwünschen, daß er seinen Beruf als Grundschullehrer mit dem Job des Fußballtrainers vertauscht hat. So bleibt ihnen eines der wirksamsten Schlafmittel Skandinaviens erspart. Gegen Svensson ist die Sphinx das reinste Auskunftsbüro. Wenn ihn seine Schüler früher nach der Hauptstadt Englands fragten, war vermutlich das Höchste, was sie aus ihm herausbekamen, der Satz: „Es könnte sein, daß sie in der Nähe der Themse liegt.“ Wie er denn das Niveau dieser EM finde? Oh, das sei ganz schwer zu sagen, aber es werde bestimmt noch schöne Spiele geben. Was er von der neuen Erschwerung des Rückpasses zum Torwart halte? „Ich finde nicht, daß es heute viele Rückpässe gab.“ Was sagen Sie zum sensationellen Ausgang in ihrer Gruppe? „Schweden ist Erster, Dänemark Zweiter.“ Vielen Dank, Mr. Svensson.
Berti Vogts wirkt immer, als wolle er jedem Fragesteller sogleich an die Gurgel gehen. Auch er haßt klare Auskünfte. Ganz besonders verabscheut er Fragen nach der Konkurrenz, die ihn angeblich überhaupt nicht kümmert — eine Phobie, die er mit seinem dänischen Kollegen Möller-Nielsen gemeinsam hat, der sonst nur durch das vor ihm postierte Namensschildchen auffällt. Ob dieser das erste Spiel Frankreichs gesehen habe? „Ach, nur am Rande, ich hatte anderes im Kopf.“
Und Berti Vogts weigerte sich beharrlich zuzugeben, daß er auch nur einen Blick auf die Niederländer zu verschwenden gedenke. Aber nein, erklärte er einem niederländischen Journalisten geradezu empört, ihr Spiel gegen die Schotten habe er sich mitnichten im Fernsehen angeschaut, aber Hannes Löhr sei dagewesen, und er werde irgendwann mal den Bericht lesen. Vielleicht, ganz vielleicht, werde er sich das Video anschauen, aber nur den schottischen Part. Welches neuartige technische Verfahren er anwandte, um die lästigen Niederländer aus dem Bild zu entfernen, mochte er nicht verraten.
Englands Graham Taylor ähnelt täuschend der graugesichtigen Puppe von Premierminister John Major aus „Spitting Image“, die wiederum täuschend dem Premierminister selbst ähnelt. Er redet bloß etwas schneller. Andy Roxburgh aus Schottland hingegen redet wie ein Schuldirektor — und der war er ja auch.
Die EM als internationale Lehrerkonferenz? Das geht zu weit. Mit dem Unwesen der blassen Trainergestalten muß es ein Ende haben. Für die nächste EM sollte die UEFA beschließen, den einzelnen Teams charismatische Pflicht- Teamchefs zuzuordnen. Es wäre so einfach gewesen: Arrigo Sacchi nach Schottland, Johan Cruyff zur GUS, Bora Milutinovic nach Deutschland, Dragoslaw Stepanovic für die Dänen, Tschik Tschaikowski zu den Engländern und Cesar Luis Menotti nach Schweden. Rinus Michels, der sich mit den Jahren vom Griesgram zur übersprudelnden Plaudertasche entwickelt hat, darf bleiben, und auch Michel Platini. Der sondert zwar die allergemeinsten Gemeinplätze ab, aber keiner lächelt dabei so charmant wie er. Matti
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