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Betrug mit Asylanträgen

■ Ausländerpolizei: Vor allem afrikanische Asylbewerber kassierten doppelt

Die massierten Kontrollen am Sielwall-Eck, die den offenen Drogenhandel verdrängen sollten, richten sich vor allem gegen afrikanische Asylbewerber. Bei den Personenüberprüfungen stieß die Polizei auf ein Delikt, das mit dem Drogenhandel gar nichts zu tun hat: Sozialhilfebetrug.

Allein in den ersten fünf Monaten des Jahres 1992 wurden in Zirndorf 3302 Asylanträge aus Nigeria erledigt, die meisten mit dem Entscheid: „offensichtlich unbegründet“. Der Aktenberg wuchs dennoch um knapp die Hälfte: gleichzeitig kamen 6.439 neue Anträge aus „Nigeria“ dazu. Das bedeutet aber nicht, daß dem dieselbe Zahl von Menschen entspricht. Bei der Überprüfung der Fingerabdrücke von Afrikanern — ein Teil der beim Asylantrag gemachten Fingerabdrücke wird beim BKA gespeichert — sind die Polizeibehörden auf das Phänomen der Doppel- und Mehrfach-Antragsteller gekommen. „Den Versuch, sich so doppelte Sozialhilfe zu erschleichen, hat es immer gegeben“, sagt der Sprecher des Bundesamtes in Zirndorf, Weickhardt, „aber nicht in dem Umfang.“

Der Leiter von Bremens Ausländerbehörde, Dieter Trappmann, hat dem Innensenator schon vor einiger Zeit von zwölf Fällen berichtet, in denen unter verschiedenen Namen Asyl beantragt worden war. Trappmann: „Aber es wird jeden Tag etwas Neues aufgedeckt.“ In der vergangenen Woche sei einer dabei gewesen, der in sechs Städten Asyl beantragt hatte. Einer Frau ist auf dem Ausländeramt in Bremen ein Zettel aus der Tasche gefallen, der sich beim näheren Hinsehen als Asylantrag aus einem Ort im Erft-Kreis entpuppte. Am vergangegen Donnerstag fiel einem Sachbearbeiter ein Asylbewerber in dem Zimmer eines Kollegen auf, den er vorher bei sich zum Asylantrag hatte — er war nur einen Raum weiter gegangen und hatte unter anderem Namen mit anderem Herkunftsland wieder Asyl beantragt.

Insgesamt, so schätzt Trappmann, „ist das, was wir aufdecken, nur die Spitze des Eisberges.“ Nur der Zufall hilft nämlich, oder die Überprüfung durch das BKA im Zusammenhang mit Rauschgift-Delikten. Die Behörde kann auf derartigen „Sozialhilfe-Mißbrauch“ nur hilflos reagieren. Abgeschoben werden darf nur, wenn jemand „wegen einer besonders schweren Straftat rechtswidrig verurteilt“ ist. Was bleibt, ist die Strafanzeige. Lange bevor es zur Verhandlung kommt, sind die Betroffenen allerdings in aller Regel wieder weg. Das Schlimmste, was ihnen droht, ist die Heimreise.

Verblüffende Ähnlichkeiten und geradezu einen „Typus“ hat auch die Bremerhavener Polizeibehörde festgestellt: Der alleinstehende Mann zwischen 25 und 35 Jahren gibt als Beruf „Student“ oder „Journalist“ an, hat den Paß kurz nach der Einreise verloren, kann sich an Hafen- oder Schiffsnamen der Anreise nicht mehr erinnern... Tatsächlich kommen viele mit der Balkan Air über Warschau oder Prag, weiß die Polizei. „Wo sie wirklich herkommen, wissen wir nicht“, sagt Dieter Trappmann.

Vor der Abschiebehaft steht allerdings noch das Gerichtsverfahren, das bis zu sechs Monaten Zeit kostet bzw. bringt. Auf eine Beschleunigung hofft Trappmann mit den neuen Gesetzen, vor allem aber mit der Einrichtung einer Außenstelle des Bundesamtes direkt in Bremen und durch den neuen Fingerabdruck-Computer „AFIS“ („Automatisiertes Fingerabdruck-Identifikations-System“), mit dem ab Herbst zügig bei allen Asylbewerbern ohne Paß die Identität bundesweit abrufbar gespeichert werden soll. K.W.

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