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Duisburg vor atomarem Meßmarathon

■ Gorlebener Atommüllfässer nach Duisburg/ Herkunft „eindeutig“, trotzdem wird jedes Faß aufgemacht

Berlin (taz) — Die staatliche Zentralstelle für Sicherheitstechnik (ZFS) in Düsseldorf hat einen Riesenauftrag an Land gezogen. Die Wissenschaftler der ZFS dürfen in den nächsten Jahren bis zu 1.000 Atommüllfässer aufmachen und ihren strahlenden Inhalt überprüfen. Die Fässer sollen zur Konditionierung aus dem Atommüllager Gorleben in eine Lagerhalle nach Duisburg-Wanheim transportiert werden. Dauer der Überprüfung: drei bis vier Wochen für die ersten neun Fässer, geschätzte Kosten pro Faß 5.000 Mark.

Der Auftrag für die ZFS, den die Duisburger Gewerbeaufsicht erteilt hat, ist die neueste Szene im jahrelangen Kampf der Behörden mit dem strahlenden Erbe des Hanauer Atomskandals. In Gorleben lagern nämlich etwa 1.300 Atommüllfässer, von denen mindestens 300 Mitte der achtziger Jahre im belgischen Mol waren und dort möglicherweise mit Plutonium verseucht wurden. Keiner will die Mol-Fässer haben.

Gleichzeitig versuchte die Essener Gesellschaft für Nuklearservice (GNS) die 1.000 Atommüllfässer aus Gorleben zur Verarbeitung nach Duisburg zu bringen, konnte der Gewerbeaufsicht aber nie die erforderlichen Papiere präsentieren. Erwin Krusenbaum, der Leiter des Gewerbeaufsichtsamtes, hatte die Anlieferung untersagt, um die Möglichkeit auszuschließen, daß ihm plutoniumverseuchte Mol-Atommüllfässer mit untergejubelt werden. Seit Donnerstag sind jetzt doch neun Fässer aus Gorleben in Duisburg. Krusenbaum hat sich offenbar überzeugen lassen (müssen), daß er die Anlieferung nicht mehr ablehnen darf. Das Gewerbeaufsichtsamt habe die Papiere der neun Fässer „für in Ordnung befunden. Wenn es auch nur den leisesten Zweifel gibt, untersagen wir die Anlieferung“, so Krusenbaum. „Fässer, die in Mol waren, kommen nicht nach Duisburg.“

Völliges Vertrauen zu den Etiketten und Begleitpapieren der Atommüllfässer hat Krusenbaum nach der jahrelangen Auseinandersetzung nicht. Die Fässer werden in Duisburg alle erst einmal aufgemacht und nachgemessen. Messen soll wie gesagt die ZFS. Auf die Frage, warum die Begleitpapiere jetzt ausreichten, antwortete Krusenbaum ausweichend: „Ich weiß nicht, warum die Firma im vergangenen Jahr nicht die entsprechenden Unterlagen beibringen konnte.“ Jedenfalls habe er zusätzlich Dokumente bekommen.

Die Duisburger Bürgerinitiative hat erfahren, es seien Dokumente von Lagerarbeitern gefunden worden. Die GNS, die für den Umgang mit strahlenden Materialien eine besondere Zuverlässigkeit nachweisen muß, konnte gestern nicht zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen: „Wir geben der taz keine Auskunft.“ Dann lag der Hörer auf der Gabel.

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