: Phantasialand
■ Die Frau meiner Träume, ARD, 22.55 Uhr
Jede von uns kennt ihn, den Zusammenbruch vor dem Spiegel. Ich bin häßlich wie die Nacht! Stämmig meine Beine, ausladend das Hinterteil, der Rettungsring um die Hüften nur noch peinlich. Die Frisur sieht unmöglich aus, der Rock primitiv, mein Augenaufschlag wirklich etwas ordinär. Aber wer weiß denn schon, was Männer wirklich wollen?
Dieser Frage aller Frauen ging die ARD am späten Sonntagabend nach. Eine Reise durch die Köpfe deutscher Männer war uns versprochen, da fährt unsereins ja gern mal mit. Der Reiseleiter Heine Herde hat in seinem Bekanntenkreis nachgefragt, der vor allem aus Schauspielern, Fotografen, Werbeleuten, Journalisten besteht. Auch in jenen Kreisen hat sich herumgesprochen, daß die Emanzipation losgegangen ist und man sich damit arrangieren sollte. Traumfrau muß nun also „Persönlichkeit 'rüberbringen“, „Dialogpartner sein“, aber auch „Geborgenheit vermitteln“.
Dieses im heutigen Männerjargon zu hören, ist nicht leicht. Um so entspannender dann die psychodelischen Schmierbilder, mit denen die restlichen Minuten gefüllt werden. Deutsche Männer beim Schützenfest, die nicht befragt werden, Frauen beim Boxen und in der Werbung, die auch nicht gefragt werden. Filmsequenzen, die wir längst nicht mehr sehen wollen, Tucholsky- Verse, Kneipenszenen, die gut ausgeleuchtet sind, aber nichts erhellen. Nicht von Wünschen, Sehnsüchten, Träumen ist hier die Rede, sondern von männlichen Rechtfertigungen, in veränderter Lage zurechtzukommen.
Nun ist die Darstellung rettungslos desorientierter deutscher Männer nicht mehr erheiternd. Kommentarlos ihre Spruchschnipsel aneinanderzureihen, zeugt nicht von fernsehtechnischem Pfiff, sondern purer Faulheit. Jeder Mann brabbelt ungehemmt los, fragt man ihn mal eben nach Frauen. Traumfrauen, meine Lieben, muß man sich erstmal erträumen. Sie stehen gemeinhin zu Hause vor dem Spiegel und blicken sich zagenden Herzens an. Wird Thomas mich küssen trotz meiner Oberlippenbehaarung? Krieg' ich die Mitesser noch weg? Ruft Winfried noch an? Was soll ich bloß anziehen? Olga O'Groschen
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