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UNTER DER SOUTANE IST DIE HÖLLE LOS Von Ralf Sotscheck

In den 19 Jahren ihres Bestehens war die katholische Hilfsorganisation für die Dritte Welt, Trócaire, in Irland auch bei Ungläubigen anerkannt. Dann brach im Mai der Himmel über sie zusammen. Die Spendeneinnahmen sanken plötzlich um 60 Prozent, zahlreiche afrikanische Hilfsprogramme mußten eingestellt werden. Trócaires Direktor, Brian McKeown, hat dafür eine logische Erklärung parat: „Eine Mischung aus dem Bankstreik, dem Poststreik und — möglicherweise — der Rücktritt des Bischofs Eamonn Casey.“ Andere Hilfsorganisationen, die ebenfalls vom Bank- und Poststreik betroffen waren, hatten jedoch nur einen Spendenrückgang von 15 Prozent zu verzeichnen. Hat also der Rücktritt des Bischofs doch mehr mit Trócaires Problemen zu tun? Bischof Casey, vierthöchster Mann der Hierarchie in Irland, war seit der Gründung der Organisation ihr Vorsitzender. Im Mai wurde er überraschend Vater eines 17jährigen Sohnes. So lange hatten alle Beteiligten dichtgehalten. Ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung hatte es bis dahin für eine biologische Unmöglichkeit gehalten, daß ein Bischof überhaupt zeugungsfähig ist — geschweige denn, daß er es auch noch ausprobiert. Darüber hinaus hatte Casey 70.000 Pfund (ca. 190.000 Mark) aus der Kirchenkasse entwendet, um die Alimente für seinen Peter zu bezahlen.

Der Schock saß tief. Die katholische Hierarchie versuchte, den (Schwarzen) Peter der Mutter zuzuspielen, der man Verrat vorwarf. Ein Pfarrer behauptete allen Ernstes, das Treiben des Bischofs sei nicht ganz so verwerflich, da er dabei wenigstens kein Kondom benutzt habe. Die Bevölkerung bildete sich freilich ihre eigene Meinung. Während Bischof Casey über Nacht nach Lateinamerika verschwunden und seitdem nicht mehr gesehen war, fanden T-Shirts mit seinem Konterfei reißenden Absatz. Darunter prangte allerdings der Spruch: „Wear a condom — just in casey.“ Zum Spott kam weiterer Schaden: Pfarrer Pat Buckley gründete eine Hilfsorganisation für Frauen, die von Pfaffen geschwängert worden waren. Über mangelnden Zulauf kann er nicht klagen. Der Nestbeschmutzer führt außerdem bei sich zu Hause Trauungen für Ex- Pfarrer durch, da diese in den Augen der Kirche gar nicht existieren. Das Amt ist lebenslänglich, es sei denn, der Pfarrer „kann eine Bescheinigung vorlegen, die beweist, daß er wahnsinnig oder pervers ist“, sagt Buckley. Hat der Fall Casey das langsame Ende des Würgegriffs eingeläutet, in dem der Klerus die irische Bevölkerung seit Jahrhunderten hält? Parallelen zum Fall Charles Haughey sind unübersehbar: Der ehemalige Premierminister hatte sich zwei Dekaden lang von Skandal zu Skandal gehangelt, bis ihn eine alte Abhöraffäre einholte und ihm das Genick brach. „Irland hat keine Helden mehr“, klagte die Irish Times, nachdem auch viele erfolgreiche Geschäftsleute — Symbole für die Bedeutung der Grünen Insel in Europa — wegen Finanzskandalen von ihren öffentlichen Ämtern zurücktreten mußten. Einer von ihnen, Ben Dunne, hatte sich in den USA gar mit einem Beutel Kokain und — schlimmer noch — einer Prostituierten erwischen lassen. An die fröhlichen Whiskey-Pfaffen in ihren schnellen Autos hatte man sich ja gewöhnt, aber an dem bumsenden Bischof wird die Kirche noch lange zu knabbern haben. Vielleicht kann Trócaire in den Kondomhandel einsteigen, um an Geld zu kommen — Doppelmoral war für die Heuchler in der Soutane ja noch nie ein Thema.

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