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Der Prinz und die Traumhaften

■ Olympisches Basketballturnier: Detlef Schrempf aus der US-Profiliga NBA führte das deutsche Team zum überraschenden Triumph gegen Spanien, danach zauberte das NBA-Traumteam

Berlin (taz) — Denkbar schlecht begann für das deutsche Team das Basketball-Match gegen den EM-Dritten Spanien. 12.500 Zuschauer vollführten im „Palau d'Esports“ von Badalona einen Höllenlärm, wild entschlossen, ihre Mannschaft gleich im ersten Spiel auf den Weg zur ersehnten Medaille zu brüllen. Diese legte los wie entfesselt, drohte den vermeintlich inferioren Kontrahenten glatt an die Wand zu spielen, und zu allem Überfluß handelte sich Detlef Schrempf, der als veritabler NBA-Prinz das deutsche Basketball aus seinem internationalen Dornröschenschlaf erweckt hat, bereits in den ersten Minuten zwei persönliche Fouls ein. Bei fünf begangenen Fouls heißt es Abschied nehmen, und als Schrempf noch in der ersten Halbzeit sein dritter Ausrutscher unterlief, war er zu größter Vorsicht gezwungen, vor allem bei den Rebounds, seiner größten Stärke. Etliche Würfe, die vom Korbrand der Deutschen wieder ins Feld prallten, erhaschten die Spanier, weil Schrempf nicht mehr wagte, mit der nötigen Robustheit zum Ball zu gehen.

Doch die Deutschen verloren nicht die Nerven, sondern begannen, ruhig und systematisch ihr Spiel aufzubauen. Neben Schrempf, der mit seiner Übersicht, Raffinesse, Ballsicherheit und Wurfgewandtheit den Spaniern kräftig zusetzte, war es vor allem Kapitän Hansi Gnad, der dafür sorgte, daß der anfängliche 4:10-Rückstand in der achten Minute in eine 18:17-Führung verwandelt und bis zur Halbzeit auf 46:39 ausgebaut werden konnte.

Nach der Pause wurde es dann noch einmal kritisch. Angetrieben vom überragenden Villacampa, der insgesamt 21 Punkte erzielte, kamen die Gastgeber sieben Minuten vor Schluß auf vier Punkte heran, und das Publikum geriet derart aus dem Häuschen, daß der kleine deutsche Anhang, Boris Becker mittendrin, alle Mühe hatte, seine stimmlichen Anstrengungen noch zur Geltung zu bringen. Das Match drohte zu kippen, aber Bundestrainer Svetislav Pesic brachte, wenn seine Leute zu hektisch und nervös wurden, durch geschickte Auswechslungen immer wieder Ruhe ins Spiel. Schrempf — weitaus bester Spieler auf dem Platz — war überall und zudem gerieten die Spanier durch ihre hohe Foulquote erneut ins Hintertreffen.

Am Ende hieß es 83:74 für die Deutschen, Schrempf waren 26 Punkte, Gnad deren 17 gelungen. Der Sieg gegen den Mitfavoriten Spanien war in der äußerst schwierigen Gruppe A, in der sich neben dem Traumteam aus den USA auch noch die starken Kroaten, die Brasilianer und Angola tummeln, schon ein wichtiger Schritt zum Viertelfinale.

Nach dem Spiel der Deutschen gegen die Spanier war in Badalona große Show angesagt. Das „Dream Team“ betrat zum erstenmal olympischen Boden und geriet gegen Angola sogleich in Rückstand. Karl Malone, der normalerweise in der Zustellung seiner Wurfsendungen so sichere „Mailman“, konnte von zwei Freiwürfen nur einen verwandeln, im Gegenzug traf Angola zum 2:1 — ihre letzte Führung an diesem Abend. Bis zum 7:7 konnten die Afrikaner noch mithalten, dann legten die NBA-Stars los und nach 17 Minuten stand es 53:8. Magic Johnson warf seine Pässe millimetergenau über die Schulter, hinter dem Rücken oder auch mal einfach geradeaus, Michael Jordan segelte wie ein Adler durch die Halle, ein Barkley-Dunking jagte das andere, und die Angolaner kamen nicht mal mehr in die Nähe des US-Korbes. In ihrer Verzweiflung versuchten sie es mit 3-Punkte-Würfen, 27 ihrer 48 Punkte gelangen ihnen aus der Ferne. So ganz gingen die „Dreams“ angesichts des schwachen Gegners allerdings noch nicht aus sich heraus, mit 48:116 kam Angola relativ glimpflich davon. Am Mittwoch abend sind die Deutschen als Opferlämmer ausersehen, und wenn sie ihre Leistung aus der Partie gegen Spanien wiederholen, könnte es ihnen möglicherweise sogar gelingen, gelegentlich das wahre Gesicht der Traumhaften durchschimmern zu lassen. Matti

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