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KOMMENTAREDes Schwarzen Peters großer Auftritt

■ Absurdes Theaterstück um die Aufnahme von bosnischen Kriegsflüchtlingen

Bravo, bravooo! Wer sich noch fragte, woher die beklagte Politikmüdigkeit kommt, bekam in den letzten Tagen ein Aufklärungsstück erster Klasse präsentiert. Thema: die Aufnahme von Flüchtlingen in der Bundeshauptstadt Berlin. Erster Akt: König Diepgen, angetan im purpurnen Morgenmantel, ist entsetzt. B.Z. und Bild haben es der taz nachgemacht und zur Aufnahme der Kinder von Sarajevo in Berliner Familien aufgerufen. „Ansturm der Hilfsbereitschaft! Die Bürger drohen den Senat zu überrollen!“ warnt er mit dunkler Stimme. „Wir müssen etwas unternehmen.“ Am Nachmittag, so seine Anweisung, solle eine Delegation der „Aktion Fluchtweg“ empfangen und belobigt werden. In einem feierlichen Akt kann dabei der Schwarze Peter der Senatsverwaltung für Soziales überreicht werden.

Zweiter Akt: Armin Tschoepe, Stellvertreter der Sozialsenatorin, sitzt in seinem Büro und überlegt fieberhaft, wie er den Schwarzen Peter, der sich wie ein Alp auf seinen Schultern festgekrallt hat, schnell wieder los wird. Die CDU wird mich furchtbar ausschimpfen, denkt er, wenn ich hier mehr Flüchtlinge aufnehme als abgesprochen. Es sei des Staates feierliche Pflicht, rezitiert er laut, Flüchtlinge in Heimen unterzubringen. Wer Geflohene selbst aufnehmen wolle, den brauche doch nichts zurückhalten. Dritter Akt: Eine Gruppe von Bürgern, die Flüchtlinge und Kinder aufnehmen wollte, wundert sich über das Geschenk in ihren Händen, das ihnen die Sozialbehörde zum Dank überbringen ließ: einen hübsch in Samt und Seide gearbeiteten Schwarzen Peter.

Vierter Akt: im Saal der Bundespressekonferenz. Um sicher zu gehen, hatte die Sozialbehörde einen zweiten Schwarzen Peter eingepackt und nach Bonn geschickt. Die Bundesregierung sei schließlich dafür verantwortlich, daß nicht mehr Flüchtlinge aufgenommen würden. Regierungssprecher Vogel faltet den Schwarzen Peter zu einem Papierflugzeug Richtung Brüssel: Die Lösung müsse auf EG-Ebene getroffen werden. Aber, noch mal in Richtung Berlin: Die Bundesregierung werde die Länder nicht daran hindern, Flüchtlinge über die vereinbarte Quote hinaus aufzunehmen. Fünfter und vorläufig letzter Akt dieses trostlosen Stücks: Tumult auf der politischen Bühne. Politiker in Bonn, Paris, London und anderswo bewerfen sich gegenseitig mit Schwarzen Petern. Armin Tschoepe bedankt sich in Berlin für die „wohlfeilen Ratschläge“ aus Bonn. Es würden nicht mehr Flüchtlinge aufgenommen, solange Bonn das Kontingent nicht erhöhe und die Kosten übernehme. Das Publikum buht und schimpft auf „dieses absurde Affentheater“, während in Bosnien die Eingeschlossenen sterben. Vorhang. Ute Scheub

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