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PRESS-SCHLAGTotentanz am Buffet

■ Olympischer Wettkampf der Sponsorenklubs

Im ersten Moment fühlt sich der nichtsahnende Journalist wie Magic Johnson. Kaum tritt er in den Raum, wird er umzingelt von einer Schar junger Frauen, die allesamt den Eindruck erwecken, als hätten sie schon seit Stunden sehnlichst auf diesen Moment gewartet. Was wohl auch so ist. Denn der unverhoffte Besucher ist der einzige Gast im „Olympic Meeting Point“ in Barcelona. Während im „Deutschen Haus“ und im Daimler-Klub die Massen zu Hunderten um Würstel und Paella anstehen, herrscht bei Bayer Totentanz: Der Chemiegigant war beim olympischen Wettkampf der Sponsorenklubs in Barcelona bereits zur Halbzeit abgeschlagen.

Gänzlich ungedopt ging er ins Rennen mit dem Konzept, „eine kleine Stätte der Begegnung“ zu bieten für Sportler, Funktionäre und Journalisten. Doch den einzigen, den man hier trifft, ist Öffentlichkeitsreferent Uwe Burghardt. Und selbst der mußte angesichts der gähnenden Leere in der umgebauten Lagerhalle an der berühmten Rambla Catalunya zugeben: „Tja, es könnten schon ein paar mehr sein. Dafür geht es hier sehr familiär zu.“ Selbst wenn Bayer seine vertraglich gebundenen Betriebssportler antanzen läßt, zieht es nur wenige in den klimatisierten Saal mit dem Charme einer Bahnhofshalle, denn man kann sicher sein: Die kommen auch in den Daimler-Klub.

Der liegt erheblich günstiger, nur wenige Meter vom Olympiastadion entfernt. Bequem zu erreichen für Sportler und Journalisten, die nach den Wettkämpfen Fernsehen wollen, im Garten rumhocken, der Völlerei frönen oder zum allabendlichen Promi-Auftrieb schreiten. Im Gegensatz zu Bayer wird bei Daimler neureich geklotzt. Sechs Millionen Mark hat das Unternehmen für den „Treffpunkt Barcelona“ hingeblättert, das Land Baden-Württemberg legte sehr zum Unmut des neuen Wirtschaftsministers Dieter Spöri 3,7 Millionen aus dem Steuersäckl dazu. Dafür geht es auch garantiert schwäbisch zu. Landesvater Erwin Teufel, kurz E.T., darf umsonst nach Hause telefonieren, und der landeseigene Finanzminister Gerhard Mayer-Vorfelder, gleichzeitig DFB-Ligaausschußvorsitzender und Präsident des VfB Stuttgart, sich profilieren. Vehement fordert er die totale Kommerzialisierung des Sports: „Die Organisationen des Sports müssen so umgestaltet werden, daß sie für Sponsortum und Marketing überschaubar werden. Das Beklagen eines vermeintlichen Werteverfalls durch Sponsoren ist fehl am Platz.“

Noch mehr freute sich Matthias Kleinert, Generalbevollmächtigter von Daimler-Benz, nur über eines: Er brachte Staatspräsident Richard von Weizsäcker dazu, mit der Fernbedienung des Ausstellungsautos zu spielen. Ein Statement zur neuen S-Klasse verweigerte das Staatsoberhaupt aber tapfer. Dafür wollte Kleinert, aufgemüllert mit Schlips und Kragen, den obersten Olympioniken Juan Antonio Samaranch holen. Der jedoch verschwitzte den Termin. Eine Frechheit, wo Kleinerts Firma doch das IOC sponsort.

Wem die Schwabenoffensive zu penetrant wird, der flüchtet ins „Deutsche Haus“ nahe dem Stadion des FC Barcelona. Hier empfängt das „Team Olympia“, ein Zusammenschluß von acht Sponsoren. Statt nerviger Politiker bietet das Team dem NOK im herrschaftlichen Landhausstil eine Bleibe. Ein genialer Schachzug, denn die täglichen NOK-Pressekonferenzen garantieren regen Zulauf. „Dafür haben die bestimmt gezahlt“, vermutet Burghardt unerlaubtes Doping. Doch so ist es halt im Sport: Man darf sich nur nicht erwischen lassen. -miß-

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