: Wild, bizarr, poetisch
Endlich im Hamburger Kino: Rebecca Horns zweiter Film ■ Buster's Bedroom
Das Buch zum Film ist bereits seit einem Jahr erhältlich. Nun ist, dank der katastrophalen Hamburger Verleihpolitik mit 18 Monaten Verspätung, endlich auch der Film in Hamburg zu sehen - wenn auch leider nur im Nachmittagsprogramm. Dennoch sollten sich Cineasten und Kunstfreunde diesen Leckerbissen nicht entgehen lassen.
In Buster's Bedroom erzählt die in Berlin lebende Künstlerin Rebecca Horn, Absolventin der Hamburger Hochschule für bildende Künste und derzeit zum vierten Mal auf der Kasseler documenta vertreten, in wundervollen Bildern und mit wundervollen Schauspielern eine verspielte Alice-im-Wunderland- Geschichte.
Wie schon in ihrem Debüt-Film La Ferdinanda (1981) verlegt Horn den Ort der Handlung in eine Art Niemandsland, in dem sich die Menschen allein ihrer Selbstinszenierung hingeben. Dieser Ort und Schauplatz des Films ist das authentische „Nirvana-House“, eine längst geschlossene Nobel-Nervenklinik in Kalifornien, in der überspannte Hollywood-Berühmtheiten inkognito Erholung fanden. So hatte sich auch Buster Keaton, vom Suff gezeichnet, hier einst zum Entzug hinbegeben.
In Nirvana-House ist gerade der leitende Arzt von der Krankenschwester ermordet worden. Und weil sich just eine Kommission angemeldet hat, die die Klinik inspizieren will, muß einer der Patienten die Rolle des Arztes übernehmen. Die Wahl trifft O'Connor (Donald Sutherland), der in seinem Keller mit Schlangen experimentiert und seine „Patientin“ Diana Daniels (Geraldine Chaplin) zu absoluter Starre verpflichtet.
Außerdem gibt es da noch die Diva Serafina Tannenbaum, die der Schlangenwelt O'Connors Schmetterlinge entgegensetzt, den Musiker Lenny Silver, der, mit absolutem Gehör ausgestattet, an der Unvollkommenheit des Klaviers leidet, den zutraulichen Mr. Woloch und den Gärtner James.
In dieses Kabinett gelangt nun, auf den Spuren von Buster Keaton, die Filmstudentin Micha (Amanda Ooms), und sofort versuchen die Insassen, sie mit ihren Lebenskonzepten zu verschlingen. Micha wehrt sich, wird gefangen genommen, erst befreit und dann wieder eingefangen - und entkommt am Ende doch. Zum Schluß sehen die Nirvana-Patienten sie durch die Wellen des Ozeans hinwegschwimmen.
Zurück bleibt nicht nur der Eindruck, von einem zauberhaften Ausflug in ein Wunderland zurückzukehren, sondern auch von einem Museumsbesuch. Denn Rebecca Horn empfindet in ihren Bildern von der Renaissance bis zur Concept-Art sämtliche Epochen und Kunstgattungen nach, und schafft so eine Synthese zwischen Film und Malerei. Auch wenn ihr Film durch diese Überbetonung der Komposition ein bißchen schwerfällig wirkt, so bleibt er doch wild, bizarr und poetisch - unvergessen. Bettina Hennig
(Abaton)
Das Buch zum Film: „Buster's Bedroom“: Parkett Publishers Zürich 1991, 56 Mark
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