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■ Warum bäckt Hilary Clinton plötzlich Schokoladenplätzchen?SHORT STORIES FROM AMERICA

Die amerikanische Politik steckt in den Klauen der Psychos. Ich meine das psychiatrische Establishment, das an politisch motivierten Zusammenbrüchen ein hübsches Geld verdienen muß. Je mehr Zusammenbrüche, desto mehr Stunden auf der Couch — und das erklärt, warum die Politiker tun, was sie tun: Amerikas Therapeuten stacheln sie dazu an. Seit Jahrzehnten zum Beispiel ist es ein Gemeinplatz, daß die Rüstungsproduzenten die Kalte-Kriegs-Ängste angeheizt haben, um Regierungsaufträge einzuheimsen. Wie albern das inzwischen klingt! Boeing-Ingenieure studieren Sinus-Kurven und nicht Freud. Der Kalte Krieg muß anderen Hirnen entsprungen sein, den Hirnen von Leuten, die an Angst verdienen.

Wie herrlich blüht der Weizen zum Beispiel für den Therapeuten von Alan Fiers! Fiers leitete die CIA-Einsatzgruppe für Mittelamerika, als Ollie North mit Nicaragua und Iran Monopoly spielte. Während der Iran-Contra-Hearings hielt er jahrelang den Mund: Nichts da, niemand war über Los gegangen, keiner hatte 200 Dollar kassiert, ganz zu schweigen von ganzen Flugzeugladungen Waffen. Als die Hearings ihrem Ende zugingen, erzählte er ganz überraschend dem Kongreß, daß sein Vorgesetzter Clair E. George, der dritthöchste CIA-Vertreter bei den Iran-Contra-Geschäften, tief in Ollies Spiel verwickelt war. Jetzt muß Fiers auch mit seiner eigenen jahrelangen Täuschung fertig werden, und als sei das noch nicht Grund genug für eine ganze Serie Rorschach-Tests, mußte er vor Gericht auch noch Clair George ins Auge sehen. George war sein Vorgesetzter, und Fiers verriet ihn, aber George hatte Fiers dazu gebracht, zu lügen und sein Land zu verraten. Schuldgefühle, Verdrängung, Selbsthaß im Überfluß — genauso wie die Schecks an die Seelenklempner. Rausgeschmissene Geheimagenten: eine Klientenliste, die ihr Gewicht in Gold wert ist. Und sie wird immer noch länger.

Die der rausgeschmissenen Militärs auch. Am 17.Juli widerrief die Marine die Beförderung von zweien ihrer höchsten Offiziere, weil ihnen sexuelle Belästigung vorgeworfen worden war. Unter dem Kommando von Konteradmiral Joseph Prueher standen fünf Fähnriche, die eine weibliche Kollegin an ein Pinkelbecken gefesselt hatten. Nur zwei der fünf Fähnriche erhielten einen Tadel — und nichts sonst. Als sich der Vater der Frau beschwerte, drohte Prueher, er wolle Fotos der gefesselten Frau veröffentlichen, auf denen sie „lächle“. Der zweite Nichtbeförderte, Vizeadmiral Jerry Tuttle, druckte in seinem Marinemonatsblättchen sexuelle Verleumdungen.

Nun, da dies alles bekannt geworden ist und ihre Fotos die Zeitungen zieren — was sagen Tuttle und Prueher ihren Familien? Ihren Freunden? Was sagen sie, wenn sie in einer Bar eine Frau anmachen wollen? Schlimmer als Scham und Ableugnen ist das Gespenst nächtlicher Ablehnung („Ach so, Sie sind der Knabe mit den Handschellen am Pinkelbecken? Laden Sie eine andere Dumme ein“). Diese Herren werden auf Jahre hinaus am Couchleder riechen.

In einem Versuch, der sexuellen Belästigung beim Militär beizukommen, hat der Senat mehr als 3.430 Beförderungen storniert, bis die Betreffenden von entsprechenden Anklagen entlastet sind. Das meinte ich mit der länger werdenden Klientenliste. Nehmen wir dazu die 31 Sexualverbrechen gegen weibliche Soldaten im Golfkrieg. Aber die öffentliche Verurteilung dieser Leute ist noch gar nichts im Vergleich mit dem Fall von Vize-Admiral John Fetterman jr. Dem wird zum Vorwurf gemacht, daß er sich schützend vor einen Adjutanten stellte, dem vorgeworfen wurde, er habe Wehrpflichtigen homosexuelle Anträge gemacht. Man beachte die Nebentöne, wenn nach den Gründen für sein Verhalten gefragt wird: der Vorwurf sexueller Belästigung und der Verdacht der Homosexualität in einem Aufwasch.

In diesem Jahr hat die Politik sogar der Kindertherapie Auftrieb gegeben. Ich meine nicht einmal den offensichtlichen Fall von Corinne Quayl, der dreizehnjährigen Tochter von Dan. Quayl senior sagte im Fernsehen, er werde Corinnes Entscheidung respektieren, wenn sie schwanger würde, und viele Zuschauer waren entrüstet, daß der Vizepräsident und Abtreibungsfeind seiner eigenen Tochter eine Entscheidung zugestand, die er anderen verbieten wollte. Aber das fand ich noch gar nicht so wild, verglichen mit der eiligen Pressemitteilung von Marilyn Quayl, sie werde dafür sorgen, daß Corinne im Falle eines Falles ihr Kind austrüge. Man stelle sich vor, man ist dreizehn und erfährt aus dem Fernsehen, die eigene Mutter würde nicht groß mit einem reden und herausfinden, was man denkt, sondern schleunigst für eine unwiderrufliche Entscheidung sorgen — nur damit Papa eine gute Presse hat.

Trotzdem mußte ich über die psychiatrische Zukunft der zwölfjährigen Chelsea Clinton länger nachdenken. Ich meine nicht die außerehelichen Eskapaden ihres Vaters, die zum Gesprächsstoff der Nation wurden. Chelseas ganzes Leben lang ist ihre Mutter eine Karrierefrau gewesen — auch eine Mammi, gewiß, aber in erster Linie eine kluge, ehrgeizige Frau, die alles, was sie machte, gut machte. Aber plötzlich, in diesem Sommer, bäckt Hilary Clinton Plätzchen für Tee-Einladungen der Demokraten. Irgendein PR-Mann hatte sich das ausgedacht, um sie in der Öffentlichkeit etwas weicher erscheinen zu lassen und ihrem Mann so ins Weiße Haus zu verhelfen.

Das Magazin Im Familienkreis verglich Hilary Clintons Schokoladenplätzchen-Rezept mit dem von Mrs. Bush. Dieser Vergleich wurde in der New York Times umfassend behandelt — beide Rezepte wurden abgedruckt, dazu noch eine Ernährungsanalyse der Plätzchen. Hilarys Plätzchen haben nur 67 Kalorien, aber Barbaras haben 74; Hilarys Plätzchen enthalten nur halb so viel Cholesterol und Natrium. Aus Clintons Parteitagsrede hat die Nation sicherlich nicht allzuviel darüber erfahren, was er als Präsident tun würde. Aber dafür wissen wir, daß Hilarys Plätzchen weniger Herzbeschwerden auslösen werden als Barbara Bushs Produkte. Geben Sie Ihre Stimme den Demokraten. Und schicken Sie Chelsea auf die Couch.

Noch ein Satz zum Falle Fiers. In seiner

Aussage vor dem Iran-Contra-Gericht sagte Fiers, Ollie habe in direktem Kontakt zum Weißen Haus gestanden. Das könnte Reagan für einen kurzen Augenblick Sorge bereitet haben. Nirgends jedoch war zu lesen, er sei sogleich zum Psychiater gerannt — und genau das muß Quayl gemeint haben, als er über den Fonds für die Universitätsausbildung von Negern sprach. Dessen Motto lautet: Nichts ist schlimmer

als ein verschwendeter Verstand. Quayl sagte:

„Es muß schlimm sein, keinen Verstand zu

haben.“

Aus dem Amerikanischen von Meino Büning.

WARUMBÄCKTHILARYCLINTONPLÖTZLICHSCHOKOLADENPLÄTZCHEN?

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