MIT EUROPAS STAATSKONZERNEN AUF DU UND DU: Wird alte Idee aufgewärmt?
■ Elektromulti Thomson sucht weiter nach Rettungsanker
Paris (taz/dpa) — Fusionen sind in Frankreich wieder in Mode gekommen. Seit dem von Staatspräsident Mitterrand verordneten „ni-ni“, weder Verstaatlichung noch Reprivatisierung, schmieden die Patrons eifrig an Zusammenlegungsplänen. Doch die oberste „Kommandosache“, die vor einem Dreivierteljahr von der damaligen Premierministerin Cresson initiierte Verschmelzung der französischen Atomindustrie (CEA) mit Teilen der Elektrogruppe Thomson S.A., liegt derzeit auf Eis. Weil aber die Haushaltselektroniksparte Thomson Consumer Electronics (TCE), wie schon so oft, wieder einmal vor dem Ende steht, sollen die Pläne erneut aufgetaut werden.
Als Lösung schlug nun der Direktor des Pariser Schatzamtes, Jean-Claude Trichet vor, die CEA solle rund ein Viertel der Anteile der substanzlosen TCE und des Chip-Herstellers SGS Thomson übernehmen. Für Thomson, fast ganz im Besitz des französischen Staates und der staatlichen France Telecom, drängt die Zeit. Lieber heute als morgen hätten die Manager mit der TCE ihre größte Verlustquelle los. Die ohnehin mit einem enormen Finanzbedarf aus der öffentlichen Hand angewiesene TCE ist durch Milliardeninvestitionen in das noch unverkäufliche Hochauflösende Fernsehen (HDTV) ins Schleudern geraten. Während der Atommulti CEA rund 20 Milliarden Franc in Wertpapiere anlegen konnte, mußte die TCE 1991 erneut 2,75 Milliarden Franc an Verlusten ausweisen und trieb damit die ganze Thomson- Gruppe in die roten Zahlen. TCE belegt in der Unterhaltungselektronik weltweit gleich hinter Sony den vierten Rang. Ihre Marktstellung errangen die Franzosen mit ihren staatlich subventionierten Beutezügen: Die übernommenen Firmen wie Nordmende, Saba, Dual und Telefunken, RCA (USA) und Ferguson (Großbritannien) mußten meist teuer saniert werden. Im Januar warf TCE-Chef Bernard Isautier das Handtuch, weil er sich nicht durchsetzen konnte, einen Schlußstrich unter das kostspielige HDTV-Abenteuer zu ziehen. Die Presse nannte einen weiteren Grund: Isautier habe die Bilanz- Schönfärberei nicht akzeptiert, mit der Alain Gomez seinen Kopf als Thomson-Patron retten wollte. Thomson habe Patente der US- Tochter RCA im Werte von 400 Millionen Dollar für die Hälfte verkauft, um den Konzernverlust vor seiner Mandatsverlängerung optisch zu senken. Präsident Gomez gilt als Pokerface, der sich mehr für heikle Übernahmeverhandlungen als für Produktionsfragen interessiert. Gomez, der bisher alle Wachablösungen in den Staatsbetrieben überstand, hängt vor allem an der Militärelektronik, wo Thomson- CSF weltweit mit an der Spitze steht. Da käme Cressons Vision, die Großfusion aller Luft- und Raumfahrtunternehmen (Aerospatiale, CSF, SNECMA und Dassault) zu einer französischen Aerospace gerade gelegen. es
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