: Der Tiefschlaf ist beendet
■ In Hamburg formiert sich eine Friedensbewegung gegen den Krieg auf dem Balkan / Demonstration gegen Bundeswehreinsatz für 1. September geplant / Kontroversen stehen noch an
gegen den Krieg auf dem Balkan /
Demonstration gegen Bundeswehreinsatz für 1. September geplant / Kontroversen stehen noch an
Die immer lauter werdende Forderung nach einem militärischen Eingreifen auf dem Balkan hat jetzt offenbar auch den Dornröschenschlaf der Hamburger Friedensbewegten durchdrungen: Mit anderthalb Jahren Verspätung zeigen sich seit zwei Wochen erste Gehversuche einer politischen Bewegung gegen den Krieg im zerfallenen Jugoslawien.
Zweimal haben sich AktivistInnen aus verschiedenen Friedensinitiativen, dem Uni-Asta, Alternativer Liste (AL) und PDS, VVN und DFG/VK auf Einladung des Sozialistischen Büros und der Hamburger Friedenskoordination (Frieko) versammelt. Ein ganzes Bündel von Vorhaben auf der Tagesordnung, beschlossen die TeilnehmerInnen am Mittwoch zunächst, für den Anti-Kriegstag am 1. September zu einer Großdemonstration aufzurufen. Arbeitstitel: „Schluß mit dem Krieg in Jugoslawien — Keine Bundeswehr in alle Welt!“
Anders als im Januar vergangenen Jahres (damals hatte schon die Angst vor dem drohenden Ausbruch des Golfkriegs ausgereicht, um 50000 HamburgerInnen auf die Straße zu bringen) verhielten sich nicht nur die Friedensbewegten, sondern auch linke/alternative Gruppen und Parteien ungewohnt teilnahmslos gegenüber dem blutigen Krieg in einem der beliebtesten Urlaubsziele der Deutschen. Die Undurchschaubarkeit der Lage und das Fehlen eines eindeutigen Feindes machten die eigene Standortbestimmung offenbar für viele Linke schwer. Um so klarer ist jedoch der Konsens des neuen Bündnisses in der Frage nach einem möglichen Bundeswehreinsatz auf dem Balkan. „Der wird von allen eindeutig abgelehnt“, so Tina Rosenbusch von der GAL-Abspaltung ZAS.
Eine Diskussion über strittige Punkte, wie etwa den Einsatz von Blauhelmen bei humanitären Hilfsaktionen oder ein militärisches Eingreifen von UN-Truppen, wurde noch ausgespart, soll aber in weiteren Veranstaltungen geführt werden. Wie weit die Spannbreite der Meinungen ist, macht die derzeitige Diskussion bei den Grünen deutlich. „Nicht jedes Problem ist von den Deutschen zu lösen“, betont Aram Ockert, Geschäftsführer der Grünen-Landesgeschäftsstelle. Ein militärisches Eingreifen von außen verschärfe die Konflikte nur. Die Grünen setzten sich daher für humanitäre Hilfen und die Unterstützung von demokratischen Oppositionskräften in der Kriegsregion ein. Der GAL-Bürgerschaftsabgeordnete Martin Schmidt lehnt einen militärischen Eingriff nicht grundsätzlich ab. „Ich neige zu der Ansicht, daß es sich dort um einen serbischen Angriffskrieg handelt, und die Bosnier ein Recht auf die Hilfe der Uno haben“, erläutert Schmidt seine „persönliche“ Meinung.
Die Demonstration wird von der Frieko nur als erstes Nahziel gesehen. Man werde auch versuchen Kontakte herzustellen, die sowohl eine direkte Unterstützung von Anti-Kriegsgruppen im ehemaligen Jugoslawien ermöglichen sollen als auch konkrete Hilfestellungen für Deserteure. Sannah Koch
Nächstes Treffen: Dienstag, 18.8., 19.30 Uhr, Sozialistische Büro, Altonaer Straße 28.
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