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»...for the holy cheesefoot-generation«

■ American dreams beim Football im Olympiastadion: The boys are back in town, und 60.000 Berliner gingen hin

Dan Marino hat einen Traum. Er, der Superstar und Quarterback des erfolgreichsten Football- Teams der letzten zwanzig Jahre, möchte nicht nur endlich die Super Bowl gewinnen, sondern einmal, nur einmal, unerkannt ein Spiel seiner Miami Dolphins besuchen.

Quietschend rumpelt der gelbe Zug in den Bahnhof. »U 1 to Olympic Stadion, right«, denkt Dan und ergattert im überfüllten Wagen für seine 100 Kilo Körper ein wenig Stehplatz mehr, als ihm die gegnerische Defense sonst läßt. Zufrieden nimmt er zur Kenntnis, daß niemand Notiz von ihm nimmt. Noch zufriedener lauscht er dem Gebrabbel um ihn herum. »Dschihses man, sure's Dan the best of 'em ... he'll beat alone this damned fu... Broncos, ya bloody tit!«

»Touch down«, denkt Dan, grinst und schließt die Augen. Plötzlich kitzelt ihn ein schwerer säuerlicher Geruch in der Nase, er blickt zu Boden, lauter weiße Turnschuhe umringen seine schwarzpolierten Maßschuhe. »And god created Nike for the holy cheesefeet-generation«.

Auf dem Weg zum Stadion ist es wie in Pittsburgh, damals. Um sein Haupt herum schaukelt ein Meer von bunten Baseballkappen, und er wundert sich, warum all diese Kids herumlaufen wie seine Eltern vor dreißig Jahren. Auf dem olympischen Platz schlägt ihm fettiger Geruch entgegen. Zwischen all den Autos und Bussen mit allerlei lustigen Nummernschildern erkennt er lauter Buden. W-U-R-S-T buchstabiert er unbeholfen, »Shit«, und stapft weiter.

Vor dem Stadioneingang Verwunderung, die Stadtreinigung macht schon vor dem Spiel sauber. Um Dan herum Reklameautos für Zigaretten und Getränke, zufrieden betritt er das olympische Gelände. Keiner der ums Stadion Spazierenden erkennt ihn, viele drängeln sich vor den Verkaufsständen für T-Shirts von den Miami Dolphins und Denver Broncos, einige davon mit seinem Konterfei.

Doch Dan staunt noch mehr. Er fühlt sich wie zu Hause, nur diese seltsamen Statuen rund ums Stadion, so was gibt's in Miami nirgends. Aber immer essen, nichts ist so wichtig wie essen vor einem Football-Spiel. Kurz vor dem Maifeld registriert Dan auf dem Rasen einen zerquetschten Spatz, wenige Meter daneben ruhen die Reste eines braun gebrutzelten Kentucky Fried Chicken. »Hey sisters, funny talking«, denkt Dan, grinst und tritt beinahe in ein umgeklapptes Hamburgerbrötchen, das ihm den Weg versperrt. Zehn Meter weiter knutschen zwei Leute, umgeben von Pappbechern mit leuchtendgelben Strichgesichtern.

Dan holt tief Luft und betritt das Maifeld. »Fuhrer's place«, fällt ihm ein, während er das Karree aus Freßbuden betrachtet. Schon wieder diese Worte, Wurst, oder Döner, seine Miene entspannt sich, als er endlich liest: »Hot Dogs, Hamburgers, Donuts, oh Dschihses, mex beer, but what's Crêpes?«

Auf dem Weg zurück zum Stadion übt er noch ein paar Fintenläufe gegen verteidigende Mülltonnen, die ihn, so vollgestopft und überquellend, heftig an einige Gegenspieler erinnern. Entzückt nimmt er noch einige Kids wahr, die sich zwischen Reklameblättern, angebissenen Donutkringeln und Hundescheiße auf dem Rasen balgen. Alles andere registriert Dan nicht mehr, die Cheerleadergymnastik, hinter Frisbees herwetzende Hunde, Rock 'n' Roll und Country Music, das ist für ihn wie Zähneputzen. Nur diese großen roten Hartplastikbecher mit Zweifachgelenkstrohhalm, die an vielen Gürteln baumeln, erregen seine Aufmerksamkeit. »Join the coke army«, denkt er und stutzt.

Im Stadion erklingt die amerikanische Nationalhymne, Applaus tost, das Spiel beginnt. »Fu... hell«, flucht Dan und sprintet los.

Ein dumpfer Schlag trifft ihn am Kopf. Dan kippt hintenüber von der Bank. Beifall brandet von den 60.000 Fans auf, neben ihm liegt ein Football, jemand röhrt »Touch down«, und mit sorgenvoller Miene schreitet sein Coach Don Shula zu Dan und schnurrt: »Hey little dreamer, waky waky, game 's over!« nihil

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