: Alle Erkenntnisse bündeln
■ Polizei ermmittelt gegen mehrere hundert Mafiosi in Deutschland
Alle Erkenntnisse bündeln
Frankfurt/Main (dpa) — Die wichtigsten Stützpunkte der italienischen Mafia in Deutschland sind in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Berlin. Das geht aus dem an diesem Montag erscheinenden Buch „Mafia im Staat — Deutschland fällt unter die Räuber“ (Steidl-Verlag, Göttingen) hervor. Nach Aussage der drei Autoren, die sich auf Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA) und der Landeskriminalämter berufen, wird derzeit bundesweit gegen einige hundert Mafia-Mitglieder ermittelt. Ihnen würden Morde, Rauschgifthandel, schwerer Raub, Erpressung, Diebstahl und Geldwäsche vorgeworfen.
Das Buch zitiert eine 300 Seiten starke streng vertrauliche Dokumentation des BKA über die Aktivitäten der Mafia in den einzelnen Bundesländern, die am vergangenen Wochenende durch einen Bericht des Nachrichtenmagazins Spiegel bekanntgeworden war. Danach haben die über insgesamt etwa 16.000 Mitglieder verfügende sizilianische Mafia, neapolitanische Camorra, kalabrische 'Ndrangheta und die aus Apulien stammenden Gruppen der sogenannten „Vierten Mafia“ ihre Aktivitäten in der Bundesrepublik bereits „in einem weit höheren Maße entwickelt, als dies bislang vermutet wurde“ (BKA).
Nach Angaben der Buchautoren Hans Leyendecker, Richard Rickelmann und Georg Bönisch laufen allein in Nordrhein-Westfalen Ermittlungen gegen 114 Mafiosi, die Lösegelder aus Entführungen in den Kokainhandel investiert haben sollen. In Baden-Württemberg habe die Polizei eine 54köpfige Mafia-Gruppe im Visier wegen Kokainhandels, Schutzgelderpressungen, Diebstahl von Luxuslimousinen und Falschgeldgeschäften. Das Geld aus ihren Drogengeschäften soll die Bande über Scheinfirmen gewaschen haben. Auch in Bayern liefen Ermittlungen gegen mehrere Clans der Camorra, die von ihren Stützpunkten in Südbayern aus den Drogenmarkt in den neuen Bundesländern mit aufbaue und dort ebenfalls Geldwäsche in großem Stil betreibe.
Experten für Organisierte Kriminalität sehen in der seit dem Frühjahr vorliegenden Analyse des BKA einen völlig neuen Ansatz zur Bekämpfung internationaler Gangstersyndikate. Die Dokumentation, die aus ermittlungstaktischen Gründen unter Verschluß gehalten wird, bündelt erstmals alle Erkenntnisse über die Tätigkeit der Mafia in Deutschland. Nicht zuletzt dank der „engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit“ mit dem hohen Kommissar zur Bekämpfung der Mafia in Rom „konnten vielfältige Kontakte der Führungspersonen (der Mafia) — Reisebewegungen und Aufenthalte — in die Bundesrepublik nachgewiesen werden“, heißt es in einem internen Bericht des BKA. So hätten die derzeit führenden Mitglieder der Cupola (das oberste Entscheidungsgremium der sizilianischen Mafia), Salvatore Riina und Bernardo Provenzano, mehrfach die Bundesrepublik besucht, wo sie auch über verwandtschaftliche Beziehungen verfügten.
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