: In den USA müssen immer mehr Kinder arbeiten
■ "Das liegt in der menschlichen Natur"
„Das liegt in der menschlichen Natur“
Freemont (AP) — Selbst Erwachsenen geht die schwere Arbeit auf die Knochen. Aber auf den weiten Feldern im Mittelwesten der USA arbeiten immer mehr Kinder, einige nur sechs Jahre alt, verbotenerweise an der Seite ihrer Eltern bei der Gurkenernte. Obwohl Kinder unter zwölf Jahren laut Gesetz keine Feldarbeit verrichten dürfen, trifft man sie dutzendweise auf den Feldern. „Ich weiß nicht, was ich sonst machen soll“, sagt der Wanderarbeiter Juan Hernandez, während sein neunjähriger Sohn Miguel Gurken in einen Korb legt. „Wenn er das hier nicht täte, würde er sich nur herumtreiben. Wir müssen ihn im Auge behalten“, sagt Hernandez und verweist darauf, daß es keine Kindertagesstätten gebe. Seine Kollegen stimmen ihm zu. An der Arbeit, bei der es darauf ankommt, wie viel jemand pflückt, beteiligt sich meistens die ganze Landarbeiterfamilie. Bauer Chester Mauch baut Gurken auf seinem 52 Hektar großen Hof bei Freemont an. Nach seinen Angaben weist er die Arbeiter an, Kinder nicht mitarbeiten zu lassen. „Aber wenn sie auf den Feldern sind und sehen Vater und Mutter arbeiten, dann machen sie das gleiche. Das liegt in der menschlichen Natur. Die Regierung sagt, das sollten sie nicht. Das sagen wir auch“, sagte Mauch. Ein Farmer, der dabei ertappt wird, daß er Kinder arbeiten läßt, kann mit bis zu 500 Dollar pro Verstoß bestraft werden. Doch Jesus Martinez vom zuständigen Arbeitsamt hat nur zwei Inspektoren, um die Farmen im nördlichen Ohio mit der Zustimmung der Besitzer zu überwachen. In den gesamten Vereinigten Staaten stieg die Zahl der Verstöße gegen das Kinderarbeitsverbot von 9.000 im Jahr 1983 auf 22.000 sieben Jahre später. Wie viele davon bei der Ernte halfen, konnte das Arbeitsministerium nicht sagen. Aber diejenigen, die das Los der Wanderarbeiter verbessern wollen, räumen ein, daß das Problem überall dort besteht, wo Farmer auf Erntehelfer angewiesen sind. Im nördlichen Ohio kommen jeden Juni bis zu 10.000 Wanderarbeiter aus Texas und Florida an, um bei der Ernte von Gurken, Tomaten und anderen Produkten in den fruchtbaren Ebenen westlich der Industriestadt Cleveland zu helfen. Bis September hausen sie bei sommerlicher Hitze in Sperrholzhütten ohne sanitäre Anlagen. Sie können bis zu 300 Dollar die Woche verdienen.
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