piwik no script img

Gepfefferte Ohrfeige für Hackmann

■ Landgericht möchte Polizei-Opfer Schmerzensgeld gewähren / Körperverletzung "unverhältnismäßig und ungerechtfertigt"

gewähren/Körperverletzung »unverhältnismäßig und ungerechtfertigt«

„Mir will bei dem Ausmaß der Verletzungen nicht recht einleuchten, daß diese erforderlich waren, um die Identität festzustellen.“ Mit diesen klaren Worten machte Landrichter Detlev Timmermann unmißverständlich deutlich, daß er die Schmerzensgeldforderung des 25jährigen Frank Fennel in Höhe von etwa 3000 Mark gegen die Hamburger Polizei für berechtigt hält. Außerdem werde dem Opfer der berüchtigten „16E Schicht“ des Reviers Lerchenstraße damit „Genugtuung zuteil“.

Der Vorfall hatte sich im Morgengrauen des 27. Juli 1991 vor der Roten Flora ereignet. Vermummte Zivilfahnder hatten ohne Anlaß Frank Fennels Frau Julia in einen VW-Bus gezerrt. Fennel, der gerade vorm „Golem“ ein Bier trank, dachte an eine Entführung und eilte der 23jährigen zur Hilfe. Fennel: „Die sahen aus wie Schläger aus dem Zuhältermilieu.“ Aus 15 Metern Entfernung warf er eine halbvolle Bierflasche auf die scheinbaren Kidnapper und traf Fahnder Markus Priebe am Kopf. Daraufhin rissen ihn die „16E“ler zu Boden, schlugen mit Knüppeln auf ihn ein, traktierten ihn mit Stiefeltritten und Faustschlägen. Resultat: Schwere Gehirnerschütterung, Nierenblutungen, diverse Blutergüsse und ein geschwollenes Auge.

Vor kurzem sorgte der „Fall Frank Fennel“ erneut für heftigen Medienwirbel. Die Staatsanwaltschaft hatte das Strafverfahren gegen die „16E“-Beamten zunächst eingestellt, weil keiner der Schläger ermittelt werden konnte und die Fahnder sich gegenseitig deckten. Angeblich habe Fennel Widerstand geleistet, sei gestürzt und habe sich am Peterwagen gestoßen. Richter Timmermann: „Uns geht es nicht darum aufzudecken, welcher Polizist wie geschlagen hat, sondern, daß Polizisten über die Stränge geschlagen haben.“ Und daran besteht für die Zivilkammer 3 aufgrund der schweren Verletzungen kein Zweifel. Timmermann: „Die erheblichen Körperverletzungen waren unverhältnismäßig und nicht gerechtfertigt.“

Timmermann verpaßte zugleich Innensenator Werner Hackmann eine gepfefferte Ohrfeige. Hackmann hatte sich nämlich im „Hamburger Journal“ vorbehaltslos vor die „16E“ler gestellt und getreu deren Version behauptet, Fennel habe dem Fahnder Priebe aus nächster Nähe mit voller Wucht eine Bierflasche ins Gesicht geschlagen. Das Gericht bezeifelte diese Angaben, denn laut Timmermann ist es „schwer vorstellbar“, daß der Beamte dann nur eine „leichte Platzwunde ohne Gehirnerschütterung“ erlitten habe.

Das Gericht appellierte an die Polizei, das Schmerzensgeld zu zahlen, um allen eine langwierige Beweisaufnahme zu ersparen. Innensenator Hackmann dazu: „Kein Kommentar“. Polizeisprecher Lüdtke: „Das ist kein Urteil. Das Gericht hat festgestellt, daß die eigentliche Festnahme nicht rechtswidrig war, sondern vielleicht die Maßnahmen in unverhältnismäßiger Härte durchgeführt wurden.“ Einen Monat hat die Polizei Zeit, über die Annahme des Vergleichs zu grübeln. Kai von Appen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen