»Das geht an die Substanz«

■ Humboldt-Universität will Einstellung der Fächer Elektrotechnik und Kunstpädagogik nicht hinnehmen/ Seit 1989 2.300 Beschäftigte entlassen

Mitte. Die Spitze der Humboldt- Universität hat gestern Wissenschaftssenator Manfred Erhardt (CDU) vorgeworfen, er verschlechtere die Studienbedingungen drastisch, weil er die Sparzwänge »wie mit dem Rasenmäher« umsetze. Die von Erhardt zuletzt an der Humboldt-Universität Berlin (HUB) geschlossenen Fächer Elektrotechnik und Kunstpädagogik seien stark nachgefragte Fächer, die ausgezeichnete Berufsaussichten böten. Die Präsidentin der Humboldt-Universität, Marlis Dürkop, sagte, sie wolle zunächst auf politischem Wege versuchen, die Beschlüsse rückgängig zu machen.

Die Präsidentin stellte dar, daß die Humboldt-Universität »gewaltige Sparauflagen« drückten. Sie reagierte damit auf Vorwürfe des FU- Präsidenten Gerlach, »daß nur die West-Universitäten zur Kasse gebeten werden.« Marlis Dürkop führte aus, daß die HUB derzeit 4.362 MitarbeiterInnen habe. Seit Dezember 89 seien 2.369 Beschäftigte entlassen worden. Damit habe die HUB das in den nächsten drei Jahren zu erbringende Plansoll nahezu erreicht. Im Jahr 1992 habe die Universität neun Millionen Mark mehr eingespart als geplant.

»Wir gehen sehenden Auges in eine Verschlechterung der Studienbedingungen«, sagte Marlis Dürkop zur Schließung zweier Fächer durch den Berliner Senat. Mit der Kunstpädagogik solle eine Studienrichtung eingestellt werden, aus der sehr spezielle Profile von KunstlehrerInnen hervorgingen. An der Humboldt- Universität Berlin kann Kunst mit fast allen anderen Lehramtsfächern kombiniert werden. Die Hochschule der Künste (HdK) hingegen — nach Wegfall der HUB-Kunstpädagogik die verbleibende Berliner Universität, die KunstlehrerInnen ausbildet — biete eine rein »künstlerische Ausbildung«, sagte Institutsdirektorin Ruth Tesmar. Die HdK könne im übrigen nicht genug KunstlehrerInnen ausbilden. In Berlin und Brandenburg müßten in den nächsten Jahren 900 Stellen für KunstlehrerInnen besetzt werden, meinte Tesmar.

Die Senatsschulverwaltung erklärte dagegen auf Nachfrage, es werde kurzfristig kein Mangel an Kunstlehrern erwartet.

Die Dekanin der Elektrotechnik an der HUB, Beate Meffert, sagte, es sei »ein bißchen lächerlich« von Senator Erhardt, nun den HUB-Leuten Stellen bei der Technischen Universität in Aussicht zu stellen. Die TU sei selbst von erheblichen Sparzwängen betroffen. Die HUB-Elektrotechnik hatte ursprünglich mit 54 Beschäftigten an die TU verlegt werden sollen. Dies wurde mit dem Senatsbeschluß im August zurückgenommen. Der Vizepräsident der HUB, Bernd Bank, warf dem Wissenschaftssenator vor, er treibe auch die Elektrotechnik in die Überlast. An der TU droht schon im Wintersemester eine erhebliche Überlast in diesem Fach. An der HUB befürchtet man indes, die Studierenden der Elektrotechnik nicht fertig ausbilden zu können. Es sei zu befürchten, daß die HochschullehrerInnen des an der HUB aussterbenden Faches abwanderten. An sich genießen StudentInnen Vertrauensschutz, ihr begonnenes Studium auch beenden zu dürfen. Marlis Dürkop faßte ihre Befürchtungen in die Formulierung: »Das schadet unserem Ansehen; es geht an unsere Substanz.« cif