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NEU IN GONDEL UND CITY: Kein Rührstück: Grüne Tomaten

Alabama in den dreißiger Jahren. Ein alter Lastwagen, rostig und voller Schlamm, wird aus einem Fluß gezogen. Schnitt. Dann fährt ein neues, modernes Auto durch einen verlassenen Ort, vorbei an Hausruinen bis zu einem Altersheim. Nicht gerade spektakulär, wie der amerikanische Regisseur Jon Avnet sein Kinowerk Grüne Tomaten beginnen läßt.

Doch schon hier sind zwei Handlungsstränge angelegt, die Fried Green Tomatoes At The Whistle Stop Cafe, so der Original- Titel, zu einem bemerkenswerten Film machen. Avnet erzählt die Geschichte zweier Frauen, Idgy und Ruth, vor dem Hintergrund der Rassenprobleme der Südstaaten. Idgy (Mary-Louise Parker), eine burschikose Göre, geht nach dem tragischen Tod ihres Bruders auf Konfrontationskurs zu ihrer Familie. Sie säuft und pokert lieber oder klaut aus Zügen, die durch ihr Kaff „Whistle Stop“ fahren. Ruth (Mary Stuart Masterson) ist ganz anders. Ruhig, angepaßt aber immer mit grimmigem Blick, erträgt sie zunächst ihr Leben in den Südstaaten, wo Frauen gerade mal etwas besser behandelt werden als Neger.

Regisseur Avnet beschreibt die vorsichtige Annäherung der beiden Frauen nicht chronologisch, sondern in Rückblenden. Immer wieder kehrt er in die Jetzt-Zeit zurück, um eine neue, ungewöhnliche Frauen-Beziehung aufzuzeigen. Evelyn (Kathy Bates), eine fettleibige, von ihrer Ehe maßlos enttäuschte Hausfrau, trifft auf eine alte Dame im Altersheim. Die über Achzigjährige (Jessica Tandy) erzählt ihr die Geschichte der Emanzipation von Idgy und Ruth und der Apartheid in Whistle Stop, die dort so weit wie möglich unter den Teppich gekehrt wird. Das Dörfchen ist eine winzige liberale Enklave. Evelyn lernt. Sie erfährt, daß es auch in den dreißiger Jahren schwierig war, der Männerherrschaft ein wenig zu entkommen. Ganz langsam begreift sie, daß ein bißchen Widerstand, ein gesundes Selbstvertrauen dazu führen können, etwas zu verändern.

Grüne Tomaten ist kein Rührstück, sondern eine intelligente Gegenüberstellung von Frauenfiguren im Laufe der Zeit. Wunderschön abgefilmt von Kameramann Goeffrey Simpson zeigt Regisseur Avnet die unberührte Natur Alabamas und die qualvolle Enge des Zusammenlebens von Weißen und Schwarzen. Ein wirklich toller Film. J.F. Sebastian

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