: Die Dänen hoffen auf das „Non“
Regierung kündigt neues Referendum für 1993 an/ Sonderstatus — Illusion oder Chance? ■ Aus Kopenhagen R. Wolff
Das Referendum über die Maastricht-Verträge im Juni hatte die DänInnen gespalten; das Referendum in Frankreich nun eint insgeheim so manche Gegner von einst: Auch unter den Maastricht-Befürwortern hoffen nicht wenige hinter vorgehaltener Hand auf ein negatives Votum der Franzosen. „Ein französisches Nein würde uns aus der schrecklichen Isolation bringen, in die wir durch das Referendum vom 2. Juni gekommen sind“, so bekannte unlängst ein hoher Funktionär des Außenministeriums zur Presse. „Fünf Millionen DänInnen können die anderen elf Länder Europas ja nicht zu einer Neuverhandlung zwingen.“ Wenn aber auch Frankreich ausscheren würde, dann sähe dies über Nacht ganz anders aus.
Offiziell unterstützt die Regierung in Kopenhagen freilich das Ja in Frankreich. Am 1. Januar wird Dänemark turnusgemäß den EG-Vorsitz übernehmen. Und mit der Referendumsentscheidung gegen Maastricht vom 2. Juni ist das Thema EG- Union auch in Dänemark noch lange nicht vom Tisch. Nicht, daß sich das Volk sehr reumütig über sein Votum zeigt — ganz im Gegenteil, jüngste Umfragen ergaben klare 57 Prozent für das Nein statt der knappen 50,2 Prozent beim Referendum vor drei Monaten. Doch in den Regierungskanzleien von Kopenhagen wird bereits an einem „Weißbuch“ gearbeitet, mit dem die Regierung im Herbst den DänInnen noch einmal eindringlich die vermeintliche Katastrophe eines Lebens ohne Maastrichter Verträge vor Augen führen will. Am Wochenende kündigte Ministerpräsident Poul Schlüter bereits an, daß die DänInnen 1993 noch einmal über die gleiche Frage — freilich in anderer Formulierung — abstimmen sollen. Doch dazu braucht er eine Parlamentsmehrheit — und die wird immer fraglicher. Denn die sozialdemokratische Opposition ist dabei, sich immer deutlicher von ihrer einstigen Pro-Maastricht-Position zu distanzieren, die sie so offenkundig von ihren WählerInnen entfernt hatte. Bei ihnen sowie bei der linkssozialistischen Volkspartei und den liberalen Radikalen macht derzeit ein alternatives Europa-Modell die Runde: In einem Zusatzprotokoll zu Maastricht, so der Gedanke, könne Dänemark ja zu einem Teil des Unionsvertrags sagen, der eine bloße Weiterführung der Rom-Verträge darstellt. Demgegenüber würde das Nein für die umstrittene Währungsunion, die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik sowie auf dem rechtlichen und innenpolitischen Sektor, vor allem also im Bereich der Flüchtlingspolitik und der „inneren Sicherheit“ gelten.
Solche Überlegungen stoßen bei dem moderaten Teil der Maastricht- GegnerInnen durchaus auf Interesse — und sorgen für einigen Streit in dem Bündnis, das die Nein-Kampagne so erfolgreich getragen hat. Parallel zu der angekündigten Regierungsbroschüre soll so auch ein „alternatives Weißbuch“ erscheinen, das das Modell eines Dänemark — und einer EG — ohne Politik- und Währungsunion propagiert. Eine in der Tageszeitung Börsen veröffentlichte Umfrage hat einem solchen Modell einer „beschnittenen Union“ bereits die mehrheitliche Unterstützung der DänInnen bescheinigt. Aus Brüssel will dazu jede Seite das gehört haben, was ihr ins Konzept paßt: Die Regierung beteuert, es sei eine Illusion zu glauben, daß Dänemark ein solcher Sonderstatus eingeräumt werden könnte. Die Opposition hingegen will Signale aus Brüssel empfangen haben, daß eine solche „Aufspaltung“ von Maastricht für Dänemark nicht von vorneherein als unrealistisch abgetan wird. Über den tatsächlichen Spielraum für derartige Verhandlungen werden aber nicht zuletzt die französischen Wähler am 20. Juni entscheiden.
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