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Große Pötte sollen die Stadt umfahren

■ Umweltverwaltung: Wasserstraße zum Westhafen muß nicht über Unterhavel und Spree führen/ Bedenken gegen überdimensionierten Ausbau der Wasserwege nach Hannover wachsen

Berlin. Wenn Bundesverkehrsminister Krause den jüngst formulierten Wünschen innerhalb des Senats und der Brandenburgischen Landesregierung folgt, erübrigt sich der umstrittene Ausbau von Havel und Spree als innerstädtischer Großschiffahrtsweg. »Pötte« mit dem Zielort Westhafen könnten dann Berlin umfahren. Trotzdem aber wäre die Hauptstadt mit dem europäischen Wasserstraßennetz verknüpft.

Bereits im August kamen die Brandenburger Ministerien für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr sowie Umwelt, Naturschutz und Raumordnung mit Vertretern des Umwelt- und Verkehrssenats überein, Krause darum zu bitten, den Havelkanal über das geplante Güterverkehrszentrum (GVZ) Wustermark hinaus bis zur Oberhavel bei Niederneuendorf zu erweitern.

Laut der Umweltverwaltung ist es Großfrachtern damit in Zukunft möglich, den Westhafen über die Oberhavel und den Berlin-Spandauer-Schiffahrtskanal anzufahren. Konsequenz: Unterhavel und Spree müßten nicht mehr für 110 Meter lange Großgüterschiffe sowie Schubverbände von 185 Metern Länge schiffbar gemacht werden; die Eingriffe in Natur- und Stadträume seien »wesentlich verringert«.

Wie berichtet, will der Bundesverkehrsminister die Riesenfrachter über eine 26 Kilometer lange »Nord- Trasse« — Unterhavel, Unterspree und Westhafenkanal — zum Westhafen leiten. Die alternativ vorgeschlagene Route über Oberhavel und Spandauer Schiffahrtskanal verkürzt hingegen die innerstädtische Ausbaustrecke zum Westhafen um rund elf Kilometer, ermittelten die Fachleute der Umweltverwaltung. Statt sieben seien auch nur noch zwei Brücken anzuheben. Letztendlich könnte der Umbau der Schleusen Charlottenburg und Spandau bescheidener ausfallen. Als eventuelle Nachteile der Wasserstraßenvariante wären die nach wie vor erforderlichen Natureingriffe und die Verlängerung der Fahrstrecke um etwa acht Kilometer zu nennen, heißt es in einem Vermerk. Zugegebenermaßen stelle die Westhafenanbindung über die Oberhavel einen »kleinen Umweg« dar, sagt Umweltstaatssekretär Wolfgang Branoner. Gleichwohl habe die gewünschte Alternativroute gegenüber den Plänen Krauses eine »höhere Chance der Realisierung«.

Der vorgesehene Ausbau der Wasserwege nach Hannover stößt beim Umweltsenat und innerhalb der Brandenburger Landesregierung ohnehin auf wachsende Bedenken. Wegen der mit dem Ausbau verbundenen erheblichen wasserwirtschaftlichen Probleme wird eine umfassende und umgehende Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) aller 13 Planfeststellungsbereiche des gesamtdeutschen Wasserstraßenprojekts gefordert.

Branoner bezweifelte, ob das jetzige Wasseraufkommen für die geplante Erweiterung des Mittelland-, Elbe-Havel- und Teltowkanals ausreicht. Werden die Kanäle wie vorgesehen vertieft und verbreitert, könnten sich die durch den Rückgang des Braunkohletagebaus in der Lausitz mitverursachten Wasserprobleme drastisch verschärfen: Sollte in das Flußsystem von Spree und Havel nicht genügend Wasser nachfließen, werde der Wasserstand erheblich sinken. »Die Fließgeschwindigkeit der Kanäle wird gleich Null sein.« Wenn der Wasserstand außerhalb Berlins abnimmt, bestehe sogar die Gefahr, »daß Havel und Spree rückwärts fließen«, erklärte der Staatssekretär.

Schwer im Magen liegen der Umweltverwaltung auch die Pläne für eine »Süd-Trasse« zum Osthafen via Teltowkanal, Britzer Zweigkanal und Oberspree. Auf der 38,5 Kilometer langen Strecke müssen nach den Plänen 36 Brücken angehoben oder neugebaut werden. Zu Lasten begrünter Uferstreifen möchte die Wasser- und Schiffahrtsdirektion Ost die Kanäle für den zweischiffigen Verkehr von zur Zeit 29 bis 36 auf mindestens 42 Meter verbreitern. Für den Teltowkanal lasse sich dieses Ausbauziel »mittelfristig aus städtebaulichen und landschaftspflegerischen Gründen nicht realisieren«, so die Wasserexperten von Umweltsenator Hassemer. Aufgrund der vorhandenen Bebauung seien die Eingriffe zum Teil »unvertretbar«.

Die gesamte »Süd-Trasse« will man deshalb mittelfristig nur für den einschiffigen Verkehr ausbauen. Branoner: »Aus unserer Sicht reichen Koppelstellen. Daß es ein Kopf- an-Kopf-Rennen von zwei nebeneinander fahrenden Schiffen gibt, ist unwahrscheinlich.« Bereits der erwartete Zuwachs im Güterverkehr rechtfertige eine baulich abgespeckte »Süd-Trasse«. Während Krauses Wasserdirektion für den Westhafen so im Jahre 2010 ein Umschlagsvolumen von jährlich rund 11,1 Millionen Tonnen Gütern prognostiziert, rechnet man beim Osthafen nur mit einem Frachtgutaufkommen von rund 3,3 Millionen Tonnen. Thomas Knauf

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