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„Bremens politische Identität in Gefahr“

■ Kritik der Arbeiterkammer am Sanierungskonzept für die Staatsfinanzen

Der Bremer Senat hat in „vorauseilendem Gehorsam“ auf die entscheiden Forderung zur Sanierung der Finanzen des Bundeslandes verzichtet, die finanzpolitischen Forderungen sind in ihrer Wirkung „fragwürdig“ und dem ganzen Sanierungskonzept mangelt es an Eindeutigkeit, was die „zukunftsträchtige, beschäftigungssichernde und ökologische verantwortliche Richtung“ der geplanten Investition angeht.

Mit dieser Kritik und einer 21 Seiten dicken Studie meldete sich gestern die Arbeiterkammer Bremen zu Wort. Wenn der Senat darauf Wert legt, daß sein Sanierungskonzept breit getragen wird, müßten „alle Seiten an einen Tisch,“ forderte Kammer- Geschäftsführer Heinz Möller, und zwar „rechzeitig“. Im Saarland hat es, so weiß Möller, Monate vor der Verabschiedung des Sanierungskonzeptes solche Beratungen gegeben. In Bremen sind die Vertreter der gesellschaftlichen Interessenverbände erst für den kommenden Donnerstag abend, zwei Tage vor dem SPD-Landesparteitag zum Thema, an den Kamin des Rathauses geladen.

Angelina Sörgel, Referentin für Finanzpolitik bei Möller, hat nicht nur die gewerkschaftliche Kritik an der geplanten Sparpolitik des Senats aufgeschrieben, sondern auch die Prämissen des Konzepts überprüft. Und zwar setzt der Senat darauf, daß nach einer Teilentschuldung Bremens die strukturelle Benachteiligung durch steigende Steueraufkommen ausgeglichen werden kann. Dies aber, darauf verweist das Arbeiterkammer-Papier, wird sogar in dem hauseigenen Forschungsinstitut des Bremer Wirtschaftssenators, dem BAW, so nicht gesehen: In den Analysen des BAW steht zu lesen, daß von 100 Millionen Mark Steuer-Mehreinnahmen die Hälfte sowieso nach Bonn fließen und von dem Rest soviel im Finanzausgleichs- Topf verschwinden, daß nur 13 Millionen im bremischen Haushalt landen. Folgert die Kammer: Bremens Wachstum müßte zweistellig sein, um die Hoffnungen des Senatspapiers zu erfüllen — völlig unrealistisch „und unter ökologisschen Gesichtspunkten nicht wünschenswert“, findet Heinz Möller.

Vor dem Bundesverfassungsgericht hatte Bremen noch eine Reform der Finanzordnung verlangt. Daß diese Forderung jetzt fallen gelassen wurde, wertet Möller als „vorauseilenden Gehorsam“ Bremens gegenüber Bonn.

Kritik hat die Arbeiterkammer auch an den Schwerpunkten des Investitionsprogramms. Eine „Effizienzkontrolle“ der Wirtschaftsförderung finde nicht statt. Kriterien wie „Frauenförderung, ölkologische und zivile Ausrichtung von Produktion“ kommen nicht vor. Und: Fragen Sie doch einmal, wo heute die Integration von Arbeitsmarktpolitik und Wirtschaftspolitik stattfinden. Sie findet nicht statt“, meinte Heinz Möller. Auf deutsch: Ob die Programme zur High-Tec- Förderung auch Arbeitsplätze schaffen, ist bei den bremischen Investitionsentscheidungen sekundär.

Das Konzept reiner Sparpolitik, so wie sie die Ampel-Koalition vertrete, führt im besten Falle dazu, so Möller, daß Bremen in zehn Jahren ein Modell der Zweidrittel-Gesellschaft ist. „Die Arbeiterkammer möchte keinen Zweifel daran lassen, daß sie — ebenso wie sie alle Seiten am Runden Tisch sehen möchte — auch von allen Seiten einen Beitrag zur Sanierung erwasrte...“, steht in dem Papier. Und die Kammer erinnert den Senat an Selbstverständlichkeiten der Politik: „Es sind doch gerade die sozialen Fragen — Wohnungsbau, Drogenfrage, 'Überfremdung' — und ihre Lösungen, an denen sich die Identifikation der Bürgerinnen mit ihrem Gemeinwesen bildet; es sind gerade die sozialen und kulturellen Leistungen, die die Grundlage dafür schaffen, daß Bremer BürgerInnen auch weiterhin an den Besonderheiten ihres Stadtstates im föderativen System festhalten.... Wie gelingt es — und das ist unser Interesse — das wirtschaftliche Denken um moralische Werte zu bereichern?“

Wenn die Finanzkrise auf die in dem Senats-Konzept beschriebene Weise passiert, fürchtet die Arbeiterkammer, dann nur um den Preis, daß Bremen sich „durch die Art ihrer Lösung eine politische Krise einhandelt“: die „politische Identifikation der BürgerInnen mit ihrem Gemeinwesen“ wäre dahin. „Der Erhalt des Stadtstaates Bremen schließt die Bereitschaft der Bremer Bürger und Bürgerinnen ein, sich für ihre Stadt politische einzusetzen“. Ergebnis des Sparkonzeptes unter dem Diktat des Stadtkämmerers wäre „ein anderes Bremen als das, was wir heute haben“. K.W.

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