piwik no script img

Soundcheck: Warren Zevon / Eugen de Ryck / Martin Stephenson & The Daintees / Raunch Hands

SOUNDCHECK

Heute abend: Warren Zevon. Zeitgleich mit der Punk-Explosion wurde der Kalifornier Warren Zevon 1976 mit seinem Album Excitable Boy in Europa eine kleine Legende. Das Titelstück kann als exemplarisch gelten für seine Verbindung von haltloser Morbidität und schöner Musik. Darin erzählt Zevon in Form einer schmachtenden Rockballade die Geschichte eines freundlichen Triebmörders, der, als er nach zehn Jahren aus dem Gefängnis entlassen wird, sich aus den Knochen seiner Opfer einen Käfig bastelt.

Kopflose Geister von verratenen Guerilla-Kämpfern und Werwölfe waren weitere Themen seiner country-beeinflußten Songs, die der Aggressivität der Igelfrisuren eine Entsprechung auf der Rockseite gaben. Zevon wahrte immer seine Integrität und musikalischen Eigenheiten, so daß ihm der kommerzielle Durchbruch in Europa leider nie gelang. Nun bereist er mit seinem neuen Album Mr. Bad Example (wieder ein exemplarischer Titel) und dem Gitarristen Bobby Neuwirth die alte Welt. Kommt und seht. tlb

Tivoli, 24 Uhr

Heute abend: Eugen de Ryck. Eugen ist lustig. Mit seiner Funky Nude Trash Party Police schafft er eine Verbindung von Pup-Rock und Funk-Metal, die sich gewaschen hat. Ohne jede spröde Klischee- Vermeidungs-Strategie jagt der Holländer, der als vielbeschäftigter Lohngitarrist schon Jazz bei Embryo und irgendwas bei Logical Animal gespielt hat, durch alle Lieblingsharmonien und durchläuft dabei jede vorstellbare rhythmische Untersuchungshaft des Rock'n'Roll. Seine kleine Jubel-Konferenz mit Bass-Gitarre-Schlagzeug und sein brandender Trinker-Gesang sind unüblich, unschicklich und erweichend. Wie Holländer eben so sind. tlb

Honigfabrik, 21 Uhr

Heute abend: Martin Stephenson & The Daintees. Martin Stephenson ist der geborene Verlierer. Ein sympathischer Kerl, der machen kann, was er will, und dennoch nie das verdiente Lob erhält. Vier sehr schöne Alben hat der sensible Songschreiber aus dem nordenglischen Newcastle upon Tyne zusammen mit seinen Daintees eingespielt, und wartet trotzdem noch immer auf größeren kommerziellen Erfolg. Egal ob der Mann mit dem Faible für kuriose Kopfbedeckungen Country, Folk oder, wie auf seinem neuesten Werk The Boy's Heart, eher rockorientierte Songs feilbot - er blieb ein reiner Insidertip. Dabei stand der Beginn seiner Karriere, wenn sie denn eine ist, unter einem guten Stern. Als Straßenmusiker vom örtlichen Kitchenware-Label entdeckt, erhielt der Verehrer von Leonard Cohen alsbald einen Plattenvertrag, und dem Aufstieg vom Tellerwäscher zum Millionär schien nichts mehr im Wege zu stehen. Es reichte nicht ganz, auch nach zehn Jahren ambitionierten Wirkens ist der Barde nicht mehr als everybody's Vorprogramm - so wie heute abend auch: Martin Stephenson & The Daintees spielen als Vorgruppe von Del Amitri. Vielleicht verhilft dem guten Martin ja eine spektakuläre Coverversion zu mehr Zuspruch. Auch der Folksänger Luka Bloom mußte erst „I need Love“ des Rappers LL Cool J neu-interpretieren, um von einem breiteren Publikum erhört zu werden. Clemens Gerlach

Große Freiheit, 23 Uhr

Heute abend: Raunch Hands. Der umtriebige Tim Warren vom Plattenladen Cool and crazy ging einer seiner Obsessionen nach, als er mit Andreas Knoll vom „Molotow“ die New Yorker Raunch Hands für ein Konzert engagierte. Die Raunch Hands bringen, übersetzt ausgedrückt, regelmäßig das Haus herunter, und geben einen Fick auf Schmerzen im Hintern. Ihre Musik entstand in der Garage, also an dem Ort, wo sich das Röhren von Vaters Cadillac mischte mit den Spielversuchen der Gruppe, die sonst keinen Übungsraum fand. „Vater“ war der Titel des U.S.-Präsidenten (Eisenhower) und des Staatsschriftstellers (Hemingway) in der Zeit, in der das Lebensgefühl entstand, auf das sich die Raunch Hands beziehen: Es ist nicht zum Aushalten, und ich kann dir nicht sagen, wie schön das ist. Die Raunch Hands verschönern sich seit 1984 und geben sich heute für die Release-Party ihrer jüngsten Lp die Ehre. Vor dem Konzert gibt die Gruppe ein paar „Monster der grünen Lagune“ zur Adoption frei. Kristof Schreuf

Molotow, 22 Uhr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen