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GELDSCHEINE KLIMPERN NICHT Von Ralf Sotscheck

In der staatlichen irischen Geldbörse herrschte schon immer chronische Ebbe. Wohltätigkeitsorganisationen, Behinderteneinrichtungen, Frauenhäuser, aber auch Schulen und Krankenhäuser müssen sehen, wie sie sich über Wasser halten. Bei einem Gang durch die Dubliner Innenstadt gibt es kein Entkommen vor den Sammelbüchsen. Erst wenn man sich vom Kleingeld getrennt hat, ist man erlöst: Die Sammler heften den Spendern eine Plakette ans Revers — ein Passierschein für den unbehelligten Aufenthalt im Sammelgebiet.

Die katholische Kirche hat besonders gewitzte Methoden entwickelt, um ihren Schäfchen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Nicht nur mit den kirchlichen Bingo-Hallen macht sie sich die irische Spielleidenschaft zunutze, sondern auch mit den quadratischen Plastikkästchen, die auf vielen Kneipentresen stehen. Mittendurch führt eine schmale Schräge, an dessen beiden Enden sich ein Schlitz im Kasten befindet. Risikofreudige Trinker können ihr Wechselgeld in den Schlitz stecken und hoffen, daß die Münze kerzengerade die Schräge hinabrollt und am anderen Ende wieder herausfällt. Ich kenne freilich niemanden, dem das bisher gelungen wäre. Bei der unverschämten „Stillen Kollekte“ nach der Messe sind Münzen allerdings verpönt: Geldscheine klimpern nicht. Die fromme Habgier macht selbst vor den Kleinsten nicht halt. Zu Beginn der Fastenzeit erhalten Schulkinder ein Stück Pappe, das sie zu einer Sparbüchse zusammenfalten müssen. Da kommt dann das Taschengeld hinein, das sie sonst für Süßigkeiten ausgeben. Lediglich mit „Peter's Pence“, einer ständigen Sammlung für den notleidenden Vatikan, geht es seit einiger Zeit bergab. Seit bekanntgeworden ist, daß der irische Bischof Casey in den USA einen 17jährigen Sohn namens Peter hat, meinen viele offenbar, „Peter's Pence“ werden für die Zahlung von Alimenten verwendet.

Eine aufwendigere Möglichkeit, zu Geld zu kommen, ist der Pub- Quiz. Der findet in Nebenräumen von Kneipen statt — mit Zugang zur Bar, versteht sich. Die TeilnehmerInnen, die eine Gebühr entrichten müssen, finden sich zu Teams à vier Leute zusammen und schlagen sich zehn Runden lang mit obskuren Fragen herum. Jede Runde besteht aus sechs Fragen, etwa: „Heißt der deutsche Bundeskanzler wirklich Cabbage?“ Kaum jemand glaubt, daß der Herrscher über die mächtige Deutschmark ein Gemüse sein könnte. Oder wie hießen die drei Fianna-Fail-Abgeordneten aus West- Limerick, die 1927 ins Parlament gewählt wurden? Es ist verblüffend, wieviel Trivialwissen Menschen anhäufen können. Eine Frage, die in jedem zweiten Quiz auftaucht, hat bereits unendliche Diskussionen ausgelöst: „Wie heißt der in Dublin geborene Fußballer, der im Endspiel um die Weltmeisterschaft gespielt hat?“ Antwort: Siggi Held. Der Schauspieler Ger O'Leary, der im Film „Das Feld“ den ständig wütenden Sprecher der Fahrenden spielt, behauptet steif und fest, daß Siggis Vater Stephen IRA-Anhänger und Nazi-Spion war und deshalb während des Zweiten Weltkriegs fünf Jahre in Dublin im Knast saß. Nach dem Krieg soll er im Arbeiterviertel Liberties einen Eisenwarenladen aufgemacht haben. Laut Fußball-Lexikon ist Siggi Held jedoch in Freudental geboren, aber das ficht O'Leary nicht an: „Vielleicht ist es nur eine Legende, aber kratz nicht daran herum. Sonst müßten Hunderte von Menschen ihre Preise, die sie beim Kneipenquiz gewonnen haben, wieder zurückgeben.“

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