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Schlanker und schneller

■ Ein Interview mit Manfred Bissinger über seine ganz andere Wochenzeitung

taz: Der Arbeitstitel „Gabi“ klingt eher nach einem betulichen Häkelmagazin als nach einer bissigen Wochenzeitung.

Manfred Bissinger: Das ist ein Kürzel, kombiniert aus dem Namen des Verlegers Thomas Ganske und Bissinger. Wir werden später natürlich einen ganz anderen eingängigen Titel haben.

Und der wäre?

Das werden wir erst bekanntgeben, wenn das Blatt herauskommt.

Wer soll ihre Zeitung kaufen? Hamburger Villenbewohner um die 50 Jahre oder Double-Income-Two- Kids-Paare um die 30? Welches Zielpublikum schwebt Ihnen vor?

Das Zielpublikum, an das wir uns richten, sind alle Leute, die an ihrer Umwelt interessiert sind und nicht nur am Naturschutz, sondern an Informationen, die ihnen das Leben verständlicher machen können. Ein Hauptziel dieser Zeitung wird sein, die Dinge einzuordnen.

Die Bandbreite, die Sie eben genannt haben, decken ja schon „Die Wochenpost“, „Die Zeit“ und „Der Spiegel“ ab.

Das ist nicht richtig. „Die Wochenpost“ erscheint in den neuen Bundesländern und hat eine geringe Auflage im Westen, die nicht zur Kenntnis genommen wird. „Die Zeit“ ist ein sehr erfolgreiches Blatt und hat viele Vorteile, aber nicht den, daß sie noch wirklich gelesen wird. Sie ist viel zu dick und umfangreich, und „Der Spiegel“ ist ein Nachrichtenmagazin. Wir wollen ein meinungsstarkes Blatt machen.

Meinungsstark ist aber auch „Der Spiegel“.

Ja, „Der Spiegel“ ist manchmal meinungsstark, aber nicht wirklich. Er ist so umfangreich und füllig geworden, daß daneben ein Blatt, das sich schlanker und schneller dem Ziele zubewegt, durchaus Platz hat.

Was heißt schlanker und schneller? Die heutige „Zeit“-Ausgabe besteht aus fast 100 Seiten, „Die Wochenpost“ hat 40 und enthält pro Seite im Schnitt einen Bericht. Wollen Sie weniger Artikel bringen oder kürzere?

Wir werden sicherlich kürzere Artikel bringen und einen maximalen Umfang von 40 Seiten nicht überschreiten, denn mehr kann auch ein hochinteressierter Leser in der Woche nicht verkraften.

Soll die „Gabi“ demnach eine Zweit-Zeitung werden, ergänzend zu einer Tageszeitung?

Selbstverständlich soll sie die aktuellen Medien ergänzen. Wir werden auch nicht im klassischen Sinne Bericht erstatten, keine Opernpremieren oder Parteitage der CDU oder FDP besuchen, denn darüber informieren schon ausgiebig und ausführlich der Rundfunk, das Fernsehen und die Tageszeitungen.

Berichten diese Medien tatsächlich ausführlich? Es fehlen doch dort gerade die Hintergrundberichte.

Ganz genau, und das wird unsere Aufgabe sein. Nur das Mißverständnis besteht bislang darin, daß ein Hintergrundbericht 20 Seiten lang sein muß. Das ist überhaupt nicht notwendig. Unsere Wochenzeitung wird ein Blatt sein, das in der Konsequenz, in der es gemacht wird, tatsächlich fehlt.

Der Aufmacher der „Zeit“ war am Donnerstag Frankreichs „Oui“ zu Europa, „Die Wochenpost“ titelte „Armes Deutschland“ und widmete sich der Neuen Armut. Wenn Sie nun anders sein wollen, mit welchem Thema würden Sie heute aufmachen?

Ich würde auch mit Maastricht aufmachen. Es ist ein entscheidendes und folgenschweres Thema. Ich habe „Die Zeit“ heute noch nicht gelesen, insofern kann ich nicht sagen, ob ich es inhaltlich anders machen würde, aber ich vermute das mal.

Welche Ressorts sollen in ihrer Wochenzeitung besonders betont werden?

Die klassischen Ressorts natürlich: Ausland, deutsche Politik, Kultur, Wissenschaft und Gesellschaft, Wirtschaft. Das ist genau dasselbe, was die anderen auch machen. Wir werden nur viel mehr interdisziplinär arbeiten.

Was wäre beispielsweise ein interdisziplinäres Thema?

Maastricht. Das berührt die Wirtschaft, die Politik und die Kultur. Dasselbe gilt in meinen Augen auch für Rostock. Ich habe häufig das Gefühl, daß die Kultur oder die Psychologie interessantere Antworten liefern können als die Politik oder die Wirtschaft.

Wie heißt die kulturelle Antwort auf Rostock?

Na, eine kulturelle Antwort gibt es nicht, aber ich meine, daß die Leute, die in der Kultur arbeiten, oft viel eher in der Lage sind, solche Themen zu analysieren, als die Politiker.

Ich kann mir aber noch immer nicht vorstellen, warum ich die „Gabi“ kaufen oder darauf gespannt sein sollte.

Das ist auch noch zu früh. Ich will auch heute nicht mein Konzept ausbreiten. Das reicht, wenn Sie das an dem Tag erfahren, an dem es sie gibt.

Wann erscheint die erste „Gabi“?

Im Frühsommer nächsten Jahres.

Werden schon Nullnummern oder Dummies erstellt?

Es wird keine Nullnummer geben, aber wir erarbeiten gerade ein Dummy. Im Oktober wollen wir Seiten andrucken.

Die „Gabi“ soll ohne Fotos, aber dafür vierfarbig erscheinen. Werden Malerei und Graphik das Bild bestimmen?

Nein, sie wird eine ganz andere Zeitung sein, als die Sie bisher kennen. Wir werden bestimmt keine Symbolfotos drucken. Ich finde es geradezu grauenvoll, wenn in den normalen Wochenblättern über die Dritte Welt geschrieben wird, und dann sehen Sie immer auf einer halben Seite zwei Kinder, die sich an der Hand halten, etwas verhungert aussehen, und dahinter liegt ein vertrockneter Rinderschädel, oder die Erde reißt auf. Ich würde mich dagegen zum Inhalt bekennen und den drucken. Ganz ohne Fotos. Wenn zum Beispiel das deutsche Feuilleton ein kompliziertes Thema veröffentlicht, dann wird ein tschechischer Zeichner beschäftigt, der Treppen ineinander laufen läßt, um deutlich zu machen, wie kompliziert der Text ist. Wir zielen dagegen darauf ab, das Wort wieder schmackhaft zu machen.

Wenn Sie eine Bleiwüste vermeiden wollen, brauchen Sie aber einen sehr guten Graphiker.

Ja, wir beschäftigen Lo Breier. [Lo Breier entwarf das Layout für die Zeitschrift „Tempo“, d. Red.]

„Die Wochenpost“ hat eine Auflage von rund 100.000, „Die Zeit“ knapp 600.000, welche Zahlen streben Sie an?

Wir haben uns ein sehr langsames Wachstum vorgenommen, weil wir zwischendrin nicht auf Kompromisse angewiesen sein wollen. Wenn wir Ende '93 pro Woche 50.000 Zeitungen verkaufen, sind wir zufrieden.

Wie soll sich die „Gabi“ finanzieren? Der Anzeigenmarkt schwindet bei den Printmedien und drängt in den boomenden TV-Markt, und in der „Süddeutschen Zeitung“ war zu lesen, sie seien den Anzeigenkunden schwer vermittelbar.

Um Himmels willen, welcher Unsinn. Ich glaube nicht, daß sich ein Anzeigenkunde an der Person orientiert, sondern an der Frage, ob er ein Publikum erreichen kann. Und bei uns wird ein Publikum erreicht, das sicherlich über ein überdurchschnittliches Haushaltseinkommen und überdurchschnittliche Bildung verfügt.

Also doch die Hamburger Villenbewohner?

Nein die lesen die taz, oder „FAZ“. Von mir aus sollen sie auch uns lesen. Ich bin sehr daran interessiert, daß sich jeder mit uns auseinandersetzt.

Im „Munzinger-Archiv“ [ein Personenlexikon] werden sie als „linkslastig“ betitelt, wird sich diese Richtung auch in der „Gabi“ widerspiegeln?

Ach das sind alles so furchtbare Begriffe. Die liegen doch rund 20 Jahre zurück. Sie können heute Fragen gar nicht mehr mit rechts oder links beantworten. Das sehen Sie doch, wenn sie sich unsere Parteien angucken. Der linke Flügel der CDU ist doch weit linker als ein Großteil der SPD. Bei vielen Themen, die unsere Zeitung behandeln wird, wird es sicherlich immer zwei oder drei Antworten geben, die dann gedruckt werden müssen. Wir halten die Leute, an die wir uns wenden, für nicht so schlicht in ihrem Gemüt, als daß Sie sich agitieren ließen. Die wollen Anregungen haben, Informationen, Hinweise, die sie anderweitig nicht bekommen.

Zum Beispiel?

Als die Gerechtigkeitskomitees gegründet wurden, da hätte ich die Leute gefragt, die damals nicht unterzeichnet haben, wie beispielsweise Walter Jens, Freimut Duve, Günther Grass oder Ralph Giordarno. Alles Leute, die sonst immer dabei waren. Also habe ich sie angerufen und nach ihren Gründen gefragt. Diese ganz differenzierten Meinungen hätte ich gedruckt, weil niemand diesen Blickrichtungen mehr nachgeht. Dann hätten wir eine spannende und sehr inhaltsreiche Diskussion angezettelt. Aber die Zeitungen drucken das, was der Geschäftsführer der CDU-Bundestagsfraktion dazu sagt. Das kann ich im Schlaf singen, so dumm ist das.

Ich fürchte ja, daß der Leser der „Gabi“ erst noch erfunden werden muß.

Nein, das glaube ich nicht, wir haben genügend Marktanalysen dafür, daß es ihn sogar in sehr großer Zahl gibt.

„Die Zeit“ hat rund 30 Jahre gebraucht, bis sie schwarze Zahlen schrieb, und ohne die finanzielle Rückendeckung durch den Verlag Gruner + Jahr sowie den „Stern“ wäre sie vermutlich eingegangen.

Wir sind guten Mutes. Der Hoffmann u. Campe Verlag hat die Mittel dazu, sonst hätten wir das gar nicht erst angefangen.

Wieviel wird die Produktion der „Gabi“ jährlich kosten?

Das werde ich Ihnen nicht auf die Nase binden.

Wieviel Redakteure wollen Sie beschäftigen?

Zwischen 25 und 30.

„Die Zeit“, die „Süddeutsche Zeitung“ und die „FAZ“ erscheinen mit einer wöchentlichen Magazinbeilage. Der „Stern“ legt ein Programmheft bei. Planen Sie ähnliches?

Ja, wir werden ein Book-Review beilegen, das soll zwar nicht wöchentlich, aber in regelmäßigen Abständen erscheinen. Wir werden aber sicherlich kein Farbmagazin produzieren. Wir sind keine Zeitung für vorgestern, sondern fürs nächste Jahrhundert. Wir brauchen keine Illustrierten oder Magazine, die werden durch das Fernsehen überflüssig.

Wieviel Mark soll eine zukünftige „Gabi“ am Kiosk kosten?

Das steht noch nicht fest.

Welches Blatt lesen Sie bis dahin am liebsten?

Den Spiegel.

Vielen Dank für das Gespräch.

Interview:

Caroline Schmidt-Gross

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