: „Da herrscht doch nur Chaos“
■ Arbeitsbehörde soll 8,24 Millionen bekommen und kann damit frühere Versprechungen finanzieren
Sabine Uhl beim ErpressungsversuchFoto: Björn Haake
Nicht 35 Millionen Mark, sondern 8,24 Millionen mehr sollen in diesem Jahr für ABM-Programme ausgegeben werden. Dies hat der Senat gestern auf Antrag der Senatorin für Arbeit beschlossen. In der Summe enthalten sind zusätzliche Mittel für das „Stammkräfteprogramm“ und für die Jugendwerkstätten, die einen wichtigen Teil der ABM-Stellen erst ermöglichen.
Anfang des Jahres sei man von einer Zahl von ca. 2.800 ABM- Stellen im Jahresdurchschnitt 1992 ausgegangen, „erst jetzt stellte sich heraus, daß es 3.300 sein werden“, wiederholte Arbeitssenatorin Uhl gestern ihre Rechtfertigung für die 8-Millionen-Nachforderung wenige Wochen nach Verabschiedung des Haushaltes. Es habe eine „Fehlkalkulation der Bundesanstalt für Arbeit“ gegeben.
Aus den Erfahrungen der Bremer Projekte, die nun Geld erhalten, ist diese Erklärung für das Problem nicht recht nachvollziehbar. „Da herrscht doch nur Chaos in dieser Behörde“, sagte uns ein Projektevertreter.
Zum Beispiel arbeitet in der Cafeteria der Gesamtschule West Renate Henning, finanziert über ein Sonderprogramm für die Wiedereingliederung älterer ArbeitnehmerInnen. West. Den Löwenanteil zahlt des Lohns zahlt das Arbeitsamt, und es zahlte. Die Arbeitssenatorin muß 30 bzw. 4ß Prozent des Lohnes auffüllen. Seit dem März 1992 kam kein Geld mehr vom Arbeitsressort. Der gemeinnützige „Schulverein“ mußte das Geld vorschießen, insgesamt 7.000 Mark. Der Schulverein mußte die AOK um Stundung der Krankenkassenbeiträge bitten, nochmals etwa 3.000 Mark, die an Schulden aufliefen. „Wir mußten Frau Henning zum Ende des Monats kündigen“, erklärte gestern der Vereinsvorsitzende Thomas Hoppensack. Für die Gesamtschüler der GSW ein Alarmzeichen. Eine kleine Abordnung zog zum Arbeitsressort, dann zum Ratshaus, wo die Senatorin schließlich gefunden wurde. Durch Anrufe vorher gewarnt, war das Problem vorab geklärt — mit der Zahlungszusage zogen die SchülerInnen ab. Ein anderes Beispiel: Die BRAS, Bremer Arbeitslosen- Selbsthilfe. Das Projekt beschäftigt 300 arbeitslos Jugendliche und bietet ihnen eine Ausbildung. Geschäftsführer Uwe Lange ist „Stammkraft“, nur wenn ein Projekt Stammkräfte hat, kann es ABM-Stellen beantragen. Daß Lange auch 1992 als „Stammkraft“ finanziert wird, ist fest zugesagt. Die Verwaltungsleiterin übrigens auch. Gesehen hat die BRAS in diesem Jahr noch keinen Pfennig. Mit mehr als 100.000 Mark, die vom Arbeitsressort zu zahlen wären, ist die BRAS verschuldet. Mindestens 15 mal hat der Geschäftsführer im Arbeitsressort nachgefragt und die Bestätigung der mündlichen Zusage erhalten. Immer wieder neue Termin, immer wieder — kein Geld.
Der Grund dafür: Bei den „Stammkräften“, die das Land zu 100 Prozent bezahlt, übersteigt die Zahl der festen Zusagen weit die Zahl im Haushalt finanziell abgesicherten Stellen. K.W.
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