piwik no script img

Vom Größenwahn erholt

■ Mr. Entertainment Paul Weller kehrt zurück, frei vom Ballast seiner musikalischen Vergangenheit

kehrt zurück, frei vom Ballast seiner musikalischen Vergangenheit

Das Weiße Haus in Washington steht noch immer und in der Londoner Downing Street No. 10 residiert mit John Major weiterhin ein Tory als Premierminister. Schlechte Nachrichten für Paul Weller, für den Musiker, der in den achtziger

1Jahren wie kein zweiter Pop mit linker Politik verband und so die (sozialdemokratische) Weltrevolution befördern wollte.

Mit seinem 1977 gegründeten Rocktrio The Jam avancierte er zum Sprachrohr der englischen Arbeiterjugend und einer ganzen Generation. Doch Weller fühlte sich zu Höherem berufen, der Mod-Heros wollte zum großen Schlag gegen das kapitalistische Establishment ausholen. 1982 löste er The Jam, die zu diesem Zeitpunkt erfolgreichste Band des Vereinigten Königreiches, auf, um mit The Style Council neue Wege zu beschreiten. Doch Weller überschätzte sich und die Geduld seiner Anhänger. Die hatten nach nur zwei Alben genug vom geckenhaften Gehabe des Sofarevolutionärs und singenden Zeigefingers, der zum Klischee seiner selbst geworden war.

Doch selbst nachdem ihm seine Plattenfirma gekündigt hatte, wandelte Weller weiter auf dem Weg des Größenwahns. Als Paul Weller Movement gastierte er vor zwei Jahren in Hamburg und bot ein Bild des Jammers. Bar jeder Inspiration spulte er ein „Best of The Jam Council“-Programm ab und wirkte dabei wie Drafi Deutscher in der Norderstedter Falkenberghalle. Mit dem Unterschied, daß statt „Marmor, Stein und Eisen bricht“ zum x-ten Male „That's entertainment“ intoniert wurde.

Zum Glück spürte Paul Weller damals, daß er sich anschickte, sämtlichen Kredit zu verspielen. Der Mann, dem die Öffentlichkeit eine Droge war, zog sich ins Privatleben zurück, um nach zwei Jahren Pause wieder aufzutauchen. Ohne modisches Brimborium und theoretischen Ballast kommt er nun geläutert als der daher, der er ist: als Paul Weller. Auch wenn das

1gleichnamige Album im Umfeld der Londoner Dancefloor-Jazz-Szene entstand, so orientiert es sich dennoch nicht an aktuellen musikalischen Trends. Vielmehr sind es erfrischend einfache Songs jenseits von Hipness oder ehemaliger Jungmann-Bockigkeit, mit denen Weller Einblick in seine persönliche Befindlichkeit gewährt.

Im zweifachen Familienvater bohrt es noch immer, doch er hat einen Weg gefunden, dies deutlich zu machen, ohne permanent oberlehrerhafte Anweisungen zu geben. Der 33jährige ist keinesfalls mit der

1Welt und schon gar nicht mit sich selbst versöhnt. Aber die Art, wie er diesen Schmerz deklamiert, nötigt Respekt ab, ist sie doch gänzlich unspektakulär. Gerade deshalb hat er eine zweite Chance verdient. Clemens Gerlach

26.10., Docks, 21 Uhr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen