: Bremer Bücher in Frankfurt - Wo sind die sieben Zwerge?
■ Eine erfolgreiche Suche auf der großen Frankfurter Buchmesse nach den stolzen Ständen der kleinen Bremer Verlage
Hinter den sieben Bücherbergen sitzen die Bremer Bücherzwerge — hab' ich mir gedacht und hab' mich aufgemacht zur Buchmesse in Frankfurt, Bremen zu suchen. Ohne einen wie weit auch hergeholten Einstieg in diese monströse Weltmesse des Buches ist man hier verloren wie im Schlaraffenland.
Also frisch eingereiht ins Heer der Köfferchenträger und schwarzen Nylons, rauf Förderband. Die via mobile beschleunigt FußgängerInnen horizontal auf Affenzahn, und wenn man abspringt, ist man im Fernen Osten. In Singapur versacken, in China rote Laternen zählen, sich in Malaysia sonnen: Das Bücherangebot Fernost dekoriert hier ein gehobenes Reisebüro. Da! Die neuen Länder! Usbekistan hat eine Drachenbuch-Kultur, die Slowakei eine Tafelsilberkultur, Kroatien vergißt seinen Krieg über die illustrierte Kinderbibel. Und dann der erste Fingerzeig für mich: der Schweizer Nord-Süd-Verlag hat ein wunderschönes Bilderbuch zu den Bremer Stadtmusikanten herausgegeben.
Am Heinz Urban vom Meersburger Zeppelin-Museum muß jedeR vorbei — er verkauft, ersatzgeschwächt durch Allohol, „Heinrich den Vögler“, ein echtes Fluggerät. Ein Indischer Verlag aht nur eine im Programm: die Guru-Dame S. M. Nirmala Devi. Flaneuren bietet er Nimm Zwei an. Um die Ecke hat die Scientology Church ihren Hubbard-Stand („over 105.000.000 books worldwide“), ein Animier-Liebchen („Hello“) winkt wirklich jedem zu, daß man schmelzen möchte. Da! Das Compass-Leitsystem verspricht Hilfe per Computer. „Tut mir leid,“ so die Blonde Infodame, „funktioniert bei dieser Messe nicht!“
In 8152 kleinen grauen Kisten sitzen die Verlagsmenschen bei Cafe und Keksen fünf Tage lang bis Sonntag. Zeigen ihre Bücher und ihre AutorInnen. Jederzeit gibt es kleinere Aufläufe, weil ein ältererer Zwirn etwas über den Schweizer Buchmarkt und die Druckkunst sagen will. Danach Sekt. Zahllos sind die Trunkenen hier. „Angewandte Onkologie“ aus Österreich — ich eile weiter. Am Studio der Hessischen Rundfunks vorbei, wo gerade das neueste Buchmesse- Bonmot vom „Juwel der Verfassung“ über den Sender geht. Gemeint ist der Asylrechts-Paragraph. Ein Hut schwankt in der Menge. Das ist doch nicht... Doch, das ist — Ali, unser Ali, bei Rowohlt am Stand, wo sein neuestes Buch „Fatima“ gefeiert wird. Der Verlag hat einen kleinen Marienaltar aufgebaut. Wenn das man gut geht, gestern rief schon einer an, er wolle den Stand in Flammen aufgehen lassen, wenn das Buch zur Marienerscheinung nicht verschwände. Dafür wird, verrät mir Jürgen Alberts, das nächste Buch vom ersten Bombenattentat in Amerika handeln, 1886, am Haymarket: „Der Anarchist von Chicago.“ Doch Rowohlt ist nicht Bremen. Ich sammle mich in der Ökumenischen Kapelle. 20 qm, verspiegelte Wände wie im Nobelklo, 17 Stühle, auf dem Altar ein Kreuz aus Laserlicht. Eine eingewickelte Harfe.
„Roy Black wie er wirklich war“ — „Der Schumacher ist rasend weggegangen, Rudi Völler kommt erst in Gang“... Rudi! Sieh' da ist ja auch der Bremer Temmen-Verlag! Er teilt sich den Stand, die Hälfte kostet immer noch 1.200 Mark, das muß erst mal erwirtschaftet werden. Doch wenn die Druckerei einen setzen läßt, stöhnt Ulf Schiefer. Zugesagt, aber nicht fertig geworden sind Peter Dahl / Til Mette „Hoffmanns Stärke“ und eine neuer Michael Augustin: „Ach und Krach — Dramolette“. Dann muß das Geschäft eben mit dem Bestseller '92 laufen, dem einzigen neuen Königsberg-Führer (3. Auflage im Druck).
Eine Bremer Ecke, fürwahr. Bettina Wassmann ist da, Manholt preist seine Belletristik an und lehnt sich genüßlich zurück — immerhin rezensiert die FAZ jedes (!) seiner Bücher. Und positiv! Die „Zeit“ schrieb 10 Zeilen zu seinem Huysmans — „ungeheure Wirkung!“ Manholts Renner: Jean-Marie Laclavetine. Ein sanfter Mord (ein schwarzer Roman“) und die Bremensie „Phantasien im Bremer Ratskeller“ von Wilhelm Hauff (bibliophil). Und '93? Im Frühjahr bringt Manholt das 5. Buch von Perec heraus, einen Queneau und ganz unbekannte „ganz ganz freche“ Essays von Balzac.
Der Bremer Friedens- und Vergangenheits-Bewältigungsverlag Donat ist eine Treppe höher und will an Leute mit schlechtem Gewissen „Auschwitz-Kinderlieder“ eines Anonymus verkaufen. Ein schwieriges Geschäft. Erfolg verspricht er sich mit dem ganz neuen Böttcherstraßen- Buch von Arn Stromeyer „Der gebaute Mythos: Das Haus Atlantis in der Bremer Böttcherstraße“. Immer läuft Paasches Dauerseller „Die Forschungsreise des Afrikaners Lukanga Mukara ins Innerste Deutschlands“.
Und jetzt gibt's ein Däneneis für sechs Mark. Mit Sahne. Bus
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen