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■ In Abchasien wird um alles gekämpft, nur nicht um AbchasienKeiner wird gewinnen

Die Aussichten auf Waffenstillstand in Georgiens nördlicher Provinz Abchasien waren schon mit dem Tag der Unterzeichnung einer entsprechenden Vereinbarung Anfang September zum Scheitern verurteilt. Augenfälliger hätte es nicht sein können: Der separatistische Ministerpräsident der ehemals autonomen Schwarzmeerrepublik Ardsinba mußte zur Versöhnungsgeste mit seinem georgischen Counterpart Schewardnadse regelrecht vor die Kamera geschleift werden. Sein Kommentar fiel dementsprechend klar aus: Zur Zustimmung sei er genötigt worden. Selbst wenn alle Beteiligten an einer friedlichen Beilegung des Konfliktes ein Interesse gehabt hätten, läge die Entscheidung nicht in ihrer Hand. Der Kampf um Abchasien hat nur peripher etwas mit der künftigen territorialen Zugehörigkeit des paradiesischen Landstriches zu tun.

Angenommen, Ardsinba wollte Frieden, gebietet er schon lange nicht mehr über die mehreren tausend Freischärler, die zur Unterstützung der abchasischen Unabhängigkeit aus dem Nordkaukasus angerückt sind. Sie arbeiten mittlerweile auf eigene Rechnung. Sie kennen dabei nicht Freund oder Feind. Georgiens Vorsitzender des Staatsrates, Schewardnadse, hingegen muß Rücksicht nehmen auf die innenpolitische Stimmung. Ende der Woche sind Wahlen angesetzt. Schwäche läßt der aufgepeitschte georgische Nationalismus nicht zu. Auch seine engsten Mitarbeiter würden ihm das nicht nachsehen. Das militärische Potential der ehemaligen Sowjetarmee auf georgischem Boden nun der Jurisdiktion in Tbilissi zu unterstellen, entspricht voll und ganz dieser fragwürdigen Logik. Die unfreundliche Reaktion aus Moskau ist ebenfalls nicht überraschend. Wie anders als mit einer Drohgebärde kann ein souveräner Staat reagieren, wenn man sein Kriegsspielzeug beschlagnahmt, das lange Zeit sein Selbstbewußtsein ausgemacht hat? Er muß so tun, als sei er darüber empört. Wirklich empört sind in Moskau aber nur die Hardliner, die ein Interesse an der Fortsetzung des abchasischen Blutvergießens haben.

Wenn Schewardnadse — wie sein paranoider Vorgänger Gamsachurdia — Rußland die Schuld für die weitere Zuspitzung des Konfliktes in die Schuhe schiebt, hat er in diesem Fall tatsächlich recht. Das konservative russische Parlament hatte in einer barschen Resolution vorletzte Woche das Vorgehen Georgiens in Abchasien gegeißelt, ohne die abchasische Aggression auch nur mit einem Wort zu erwähnen. Abchasische und nordkaukasische Freischärler werteten das als eine indirekte Aufforderung zum Kampf— und als Parteinahme Rußlands. Zu Recht. Des einen Rußlands — Jelzin verfolgt einen anderen Kurs. Die abchasischen Hardliner, zum Teil beinharte Kommunisten, gehörten nie zu seinen Freunden.

Die abchasische Unabhängigkeit könnte eine Kettenreaktion in den südlichen Kaukasusrepubliken Rußlands hervorrufen. Moskau wäre damit längerfristig überhaupt nicht gedient. Jelzin hat ein Interesse an der Beilegung des abchasischen Konfliktes. Wahrscheinlich hat sich Schewardnadse sogar sein Plazet für die Beschlagnahmung des Militärgutes vorher eingeholt, als er neulich nach seinem Auftritt vor den Vereinten Nationen in Moskau vorsprach. Ein Ende der Kämpfe in Abchasien wäre ein innenpolitischer Sieg Jelzins über die halsstarrige Opposition, die nicht nach vorne schauen will. Klaus-Helge Donath, Moskau

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