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Die Kunst, das Beste daraus zu machen

■ Der Chikagoer Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler Gary S. Becker wird, wie es seine Theorie vorsieht, für die Humankapital-Analyse mit dem begehrten Wirtschafts-Nobelpreis entlohnt

Berlin (taz) — Das Wort Humankapital kennt inzwischen jedes Kind. Einer der Schöpfer des schwammigen Modebegriffs, der in Chikago und Stanford lehrende US-amerikanische Ökonom Gary Stanley Becker, erhält den diesjährigen Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Die Mitglieder der schwedischen Akademie der Wissenschaften, allesamt etwas angegraut und intellektuell vergreist, zeichneten gestern den 61jährigen Professor für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften für seine Verdienste aus. Er habe, so das Preiskomitee, die wirtschaftswissenschaftliche Analyse auf weite Bereiche des menschlichen Verhaltens ausgedehnt.

Unbeirrbar hatte der nicht unumstrittene Becker an seiner These von der Übertragbarkeit der mikroökonomischen Theorie auf die sogenannten „außermarktlichen Beziehungen“ festgehalten. Beckers Arbeiten, die davon ausgehen, daß sich das Verhalten der Menschen auf den unterschiedlichsten Gebieten immer nach den selben zweckorientierten Grundsätzen richtet, wurden selbst in Kollegenkreisen mit viel Skepsis aufgenommen. Den Kern seines methodischen Vorgehens beschrieb der 1930 in Pottsville geborene Wissenschaftler einmal selbst mit dem von George Bernhard Shaw entliehenen Aphorismus: „Ökonomie ist die Kunst, aus seinem Leben das Beste zu machen.“ Seinen bedeutendsten Beitrag, so das Preiskomitee, habe er gerade bei der Analyse des Faktors Humankapital und der Wirkung von Investitionen zur Verbesserung der menschlichen Kompetenz geleistet.

Einer der bekanntesten Vulgarisatoren der „neokonservativen Konterrevolution“, der französische Wirtschaftswissenschaftler Henry Lepage, bezeichnete den neuen Preisträger bereits Ende der siebziger Jahre als „vermutlich begabtesten Ökonomen seiner Generation“. Gary S.Becker hat mit diesem Preis und vor allem mit der damit verbundenen monetären Gratifikation den zentralen Baustein seiner theoretischen Arbeiten gleichsam praktisch werden lassen. Denn die während der sechziger Jahre wesentlich von ihm entwickelte und später in allen möglichen Varianten vorangetriebene und diversifizierte Humankapitaltheorie verspricht im Kern nichts anderes: Eine Person, die viel Zeit und damit in aller Regel auch viel Opportunitätskosten in Gestalt entgangener Einkommen in die Ausbildung seiner persönlichen Fähigkeiten investiert, hat später einen Anspruch auf überdurchschnittlich hohe Entlohnung. Mit dem Nobelpreis dürfte Becker in den illustren Kreis der vermögenden Vertreter einer reinen Ökonomie aufgestiegen sein, die zwar wenig zur Analyse oder gar praktischen Bewältigung konkreter wirtschaftlicher Problemlagen, dafür aber um so mehr zur Ausformulierung platonischer Modellwelten beigetragen haben.

Besonderes Interesse hat Becker an den Zusammenhängen von interpersonellen Unterschieden in Fähigkeiten und Talenten sowie familiären Bedingungen gefunden. Zwei Zusammenhänge sind es vor allem, die von ihm hervorgehoben werden: Eine Person, die höhere Zinskosten bei der Finanzierung ihrer Humankapitalinvestitionen habe, werde eine niedrigere Investitionsbereitschaft aufweisen und über ein entsprechend geringeres Humankapital verfügen als jene Person, die etwa auf das Vermögen der Familie zurückgreifen könne. Und: Je stärker die angeborenen Talente bei einer Person ausgeprägt sind, desto geringer fallen die Investititionssummen aus, die aufgebracht werden müssen, um über ein bestimmtes Maß an Humankapital zu verfügen. Angeborene Talente, Fähigkeiten sowie der Zufall der Geburt können sich in ihren Wirkungen aufheben. Wehe dem freilich, der über keine reiche Familie und keine ausgeprägten Talente verfügt. zausel/es

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