■ Der Gesundheitsminister bekämpft ein T-Shirt: Seehofers heiliger Leibchen-Krieg
Köln (taz) – Der kleine Kölner T-Shirt-Vertrieb „Abgang!“ treibt dem Bonner Gesundheitsminister die Zornesröte ins Gesicht: Hat es die lockere Gruppe von Fotografen, Textern, Designern und Künstlern doch schamlos gewagt, sich an Volkseigentum zu vergreifen: „Keine Macht den Doofen“ verdrehten die Kölner den bekannten Sinnspruch des Seehofer- Ministeriums gegen Drogenmißbrauch. Während nämlich der Originalspruch „Keine Macht den Drogen“ auf anabolikagestählten Sportlerbrüsten geschmacksmusterrechtlich geschützt ist, sei die „Verballhornung“ glatter Diebstahl. So jedenfalls sieht es der Münchner Anwalt des Ministers, der „Abgang!“ mit einer Unterlassungserklärung zwingen will, die inkriminierten T-Shirts und Aufkleber nicht mehr zu verkaufen. Andernfalls drohe pro T-Shirt eine Strafe von 7.500DM. Den Streitwert haben die Anwälte mit 100.000DM schön hoch angesetzt: Einmal, damit das Honorar steigt, andererseits, um den kleinen T-Shirt-Vertrieb schon mit den hohen Verfahrenskosten von gerichtlichen Auseinandersetzungen abzuschrecken. So jedenfalls sieht es Paul Kalkbrenner von „Abgang!“, der von seinem und dem gegnerischen Anwalt Honorarforderungen über knapp fünftausend Märker für einige Schriftwechsel auf dem Schreibtisch hat: „Die Bonner haben den Spruch gar nicht verstanden und beißen sich an der Drogenproblematik fest. Daß es sich um Satire handelt, haben die gar nicht kapiert!“
Nichts kapiert haben offenbar auch andere: Nach einem Bericht im WDR-Frühstücksfernsehen zum Thema meldeten sich mehrere Anrufer bei dem Sender, die wüste Drohungen gegen „Abgang!“ ausstießen. Die Kölner Rockband „Rausch“, deren Idee der Spontispruch eigentlich war, wollte damit einen „Beitrag zur aktuellen Situation in Deutschland“ liefern, einen „Rundumschlag gegen Rechtsradikale, Ausländerhaß und eine einfallslose Drogenpolitik“, so „Rausch“-Bassist Rolf Le Ukel, „das T-Shirt ist Satire. Satire ist Kunst und somit frei.“ „Rausch“ will nun kurzfristig eine Single mit dem Titel „Keine Macht den Doofen“ herausbringen, um „Abgang!“ einen vorschnellen Abgang zu ersparen. Jochen Börst
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