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Durch Kuba mit dem Fahrrad

■ Winterliches Schwitzen unter Kubas Sonne — nicht in der Hängematte am Strand, sondern auf dem Fahrradsattel

Stell dir vor, du fährst nach Kuba und landest nicht am Strand von Varadero. Doch, das geht, und zwar dann, wenn man fahrradfahren will statt baden.

Aus Havanna geht's erst mal gen Westen, Richtung El Salado. Unsere erste Etappe: einfache Hütten in einem kleinen Park, hauptsächlich von Kubanern frequentiert. Und genau das ist der Grund, warum wir uns für dieses Programm entschieden hatten: umweltfreundlich wollten wir reisen — Benzin gibt's ja eh nicht —, Natur wollten wir hautnah erleben und Land und Leute kennenlernen, fernab von den üblichen Touristenpfaden. Und neugierig waren wir natürlich auch auf die Stimmung im Land in diesen schweren Zeiten.

Das gleich vorweg: Mies ist die Stimmung. Kein Wunder, Milch und Eier gibt's nicht, Fleisch auch nicht und Brot nur auf Zuteilung. Und doch, immer wieder begegnet uns in Gesprächen dieser Stolz auf das Land und seine Errungenschaften und dieser Glaube an die Allmacht der politischen Führung. Fidel wird's schon irgendwie richten. Wir können uns das zwar nicht vorstellen, haben aber genügend Gesprächsstoff in den zwei Wochen auf der Insel.

El Salado ist zum „Kuba üben“: Stromausfälle, Einheitsessen, Mangel an Toilettenpapier, Glühbirnen, anständigen Getränken und jeglichem Service. Wenn das so weitergeht ...

Tut es aber nicht. Transport der Räder per Bus nach Pinar del Rio. Klasse Stadt! So hatten wir uns Kubas Provinz vorgestellt: wuselige Betriebsamkeit in den Straßen, karibische Freundlichkeit der Leute und hinter jeder Ecke ein neues Stück Kuba zu entdecken. In der Zigarrenfabrik „Francisco Donatien“ werden die Havannas tatsächlich mit der Hand gemacht. Schade, daß wir nur gegen Devisen kaufen können, und zwar die Zigarren-Marken, die es in Deutschland auch gibt.

Warum hat uns niemand verraten, daß Kuba so gebirgig ist! Die Strecke von Pinar del Rio in das Tal von Vinales ist eine harte Prüfung für Mensch und Gerät. Wir müssen öfter schieben als uns lieb ist. Doch die Landschaft entschädigt für die Mühen des Aufstiegs. Wir gewinnen ein völlig neues Kuba-Weltbild und wähnen uns mitunter in der Schweiz!

Ganz wichtige Erfahrung: immer reichlich zu essen und zu trinken vom Hotel mitnehmen. Unterwegs kann man nichts kaufen, weder für Pesos noch für Dollars.

Das Hotel La Ermita im Vinales-Tal entschädigt uns für El Salado. Gemütlich, komfortabel, prima Blick auf Berge und Tal, billige Drinks und sogar ein Swimmingpool. Von hier Ausflüge zu prähistorischen Wandmalereien und einer Indianerhöhle, die Bad Segeberg als Karikatur erscheinen läßt.

Weiter durch die Provinz. Ziel: der Hafen Esperanza. Das heißt Hoffnung, und die ist bitter nötig, wie wir bei einem Rundgang durch das Fischernest feststellen.

Mit einem Schnellboot setzen wir über auf eine kleine Insel: Cayo Levisa. Kennt keiner, ist auf keiner Landkarte verzeichnet und erscheint uns als das wahre Paradies. Zwanzig nagelneue Hütten hat man hier gebaut, dazu ein kleines Restaurant mit Bar ..., fertig ist die Robinsonade. Vorne nur Mangroven und hinten nichts als feinster weißer Strand. Wir wollen nicht mehr weg. Nicht nur wegen der Langusten und der billigen Drinks und der Einsamkeit, sondern weil wir selbst nach ein paar Tagen immer noch nicht fassen können, wo wir uns befinden.

Doch die Fahrräder warten, zum Naturpark La Güira und nach Soroa, ein Ausflugsort oben in den Bergen von Bahia Honda. Wir sind zwar die einzigen Ausländer in der schnuckeligen Hotelanlage, aber dank seiner geologischen und pflanzlichen Sensationen gilt dieser Ort als „mondäne Sommerfrische“ für Kubaner.

Man gewöhnt sich schnell an kubanischen Lifestyle, wie er für Touristen serviert wird. An Kokosnuß zum Frühstück, Salsaband zum Mittagessen und Rum rund um die Uhr. Soroa ist so schön, daß die Fahrräder schon wieder zur Nebensache zu werden drohen. Also nichts wie weg, querfeldein immer Richtung Küste, back nach El Salado. Da holt uns dann die traurige kubanische Wirklichkeit wieder ein. Thomas Brandt

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