Zwei der bekanntesten grünen PolitikerInnen sind tot. Gert Bastian hat Petra Kelly mit seiner Pistole erschossen und sich anschließend selbst getötet, so das Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen. Ein Einwirken Dritter wird ausgeschlossen. Ob Petra Kelly freiwillig aus dem Leben schied, bleibt unklar.

Tod mit vielen offenen Fragen

Ein schmales Reihenhaus im Bonner Stadtviertel Tannenbusch. Fensterläden und Beschläge aus Holz und vor der Tür ein Kranz mit getrockneten Früchten – ein üblicher Schmuck in diesem Viertel. Irgendjemand hat einen Strauß mit weißen Chrysanthemen auf die Schwelle gelegt. Die Tür ist seit Montag nacht amtlich versiegelt.

„Schrecklich, der Tod der beiden“, sagt ein Mann aus Ghana, der seit acht Jahren in Tannenbusch lebt und nun zuschaut, wie sich die Kameraleute und Fotografen vor dem Haus von Petra Kelly und Gert Bastian die Glieder verrenken. Die meisten Nachbarn lassen sich weniger erschüttern. Nein, vom Nachbarn zur Rechten stammen die Blumen auf keinen Fall. Was fühlt er angesichts des Todes im Nachbarhaus? Er zuckt die Achseln. Man habe sich auf der Straße gegrüßt. Engere Kontakte gab es nicht. Auch nicht zu der Nachbarin zur Linken, die jetzt „ganz schön geschockt“ ist, daß die Toten tagelang unbemerkt liegen blieben. „Ich bin jeden Tag mit dem Hund vorbeigelaufen“, bemerkt ein anderer. Dem Tier sei nie etwas aufgefallen.

Nur eine Hälfte von Bonn-Tannenbusch ist so idyllisch, wie es der Name vermuten läßt. In der anderen stehen Hochhäuser, dort leben Arme, Alte, AusländerInnen. „Da ist Krawall“, sagt der Hundebesitzer. Kelly und Bastian wohnten in der besseren Hälfte, unter Apothekerinnen und Rechtsanwälten, Versicherungsvertretern und Professorinnen. „Kontakte“, meint der Mann, „gibt es hier nur über die Kinder.“ Überdies, so eine Nachbarin, seien Kelly und Bastian ja dauernd unterwegs gewesen.

Darauf weisen auch die Bonner Grünen immer wieder hin. Lukas Beckmann gehörte zu den Grünen, die noch die größte Nähe zu Kelly hatten. Zuletzt sprach er mit ihr vor drei Wochen. Glaubt man einer lokalen Boulevardzeitung, dann waren es Verwandte, die tagelang vergeblich versucht hatten, Kelly und Bastian telefonisch zu erreichen und die schließlich den Hausverwalter baten, die Tür mit dem Zweitschlüssel zu öffnen. Der Verwalter fand das tote Paar und informierte gleich am Montag abend die Polizei.

Otto Schily rührte am Nerv seiner ehemaligen Partei, als er behauptete, bei den Grünen seien Kelly und Bastian längst „isoliert“ gewesen. In der grünen Parteizentrale im Haus Wittgenstein nahe Bonn wird das jedoch heftig dementiert. Sicher, vor zwei Jahren sei Petra Kelly mit ihrem Bemühen gescheitert, für den Bundestag nominiert zu werden.

Aber ihr jüngster Plan – eine Kandidatur für das Europaparlament – sei durchaus „nicht hirnrissig“ gewesen.

Daß Gert Bastian und Petra Kelly Selbstmord begangen haben, mochte sich deshalb gestern kaum jemand vorstellen. Der wachsende Rassismus in Deutschland und die Überfälle auf AusländerInnen hätten in den letzten Monaten dazu geführt, daß auch die Verbindungen zwischen dem Paar und dem grünen Bundesvorstand enger geknüpft worden seien. So nahm die Partei einen offenen Brief von Gert Bastian in ihren Rundbrief auf, in dem der Ex-General über „die Fratze des häßlichen Deutschland“ schrieb, die heute wieder unverhüllt zum Vorschein komme.

An diesen Brief von Gert Bastian ließen sich gestern vor Veröffentlichung des Obduktionsberichts Spekulationen heften, in Tannenbusch sei ein politischer Mord geschehen – hatte doch eine rechtsradikale „Anti-Antifa Bonn“ vor wenigen Wochen verschiedenen linken und grünen Adressen in Bonn einen Drohbrief zukommen lassen, in dem angekündigt wurde: „Keine Provokation ohne Revanche!“

Doch allem Anschein nach sind Petra Kelly und Gert Bastian freiwillig aus dem Leben geschieden. Was Bastian dazu trieb, zuerst seine Lebensgefährtin und danach sich selbst durch die Schüsse aus einer Pistole zu töten, blieb gestern unklar. Ein Abschiedsbrief wurde nicht gefunden. Hans-Martin Tillack, Bonn